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0928 - Der Fliegenmann

0928 - Der Fliegenmann

Titel: 0928 - Der Fliegenmann
Autoren: Jason Dark
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wachsam. Ich trat näher an die Frau heran, weil ich sie berühren wollte. Nicht unbedingt den Körper, mir ging es mehr um ihr Haar, das das Gesicht an der rechten Seite verdeckte.
    Ich wischte es zur Seite.
    Ich sah kein Gesicht. Keine Haut, keinen Mund, keine Nase, keine Lippen.
    Dafür sah ich etwas anderes.
    Fliegen!
    ***
    Die verfluchten Dinger hielten jeden Quadratzentimeter der Gesichtshaut bedeckt, so daß es überhaupt keine Lücke mehr gab. Sie saßen dort wie ein Pelz oder wie ein dichtes Fell, und sie schienen in die Nase, die Augenhöhlen und in den Mund hineingekrochen zu sein.
    Konnte die Frau noch atmen? Zumindest hatte sie vorhin noch gesprochen, aber auch das kam mir im nachhinein ungewöhnlich vor.
    Die Fliegen beherrschten sie, und sie hatten sich nur das Gesicht ausgesucht. Der übrige Körper war fliegenfrei.
    Mann und Frau saßen da wie Puppen. Sie trugen weiße Arbeitskittel. Sie waren die Besitzer des Ladens, aber der Mann sah auf den ersten Blick hin normal aus.
    Hatten die Fliegen nur die Frau erwischt?
    Freund Harry kümmerte sich um ihn, nachdem er seine Überraschung verdaut hatte. Er sprach ihn an, erhielt aber keine Antwort, dann berührte er ihn an der Schulter. Zwangsläufig bewegte er den Mann, und plötzlich fühlten sich die Fliegen gestört, die sich unter dem weißen Kittel versteckt gehalten hatten.
    Sie Schossen in die Höhe. Es waren nicht nur ein paar Dutzend Fliegen, ein ganzer Schwarm verteilte sich im Zimmer und umflog auch unsere Gesichter.
    Wir schlugen nach ihnen, zerquetschten, einige, aber andere stürzten sich wieder auf uns.
    Die Fliegen schlugen uns regelrecht in die Flucht. Sekunden später schon waren wir draußen im Laden und wurden von den Biestern nicht verfolgt. Wahrscheinlich flogen sie wieder zurück an ihren Platz, von dem wir sie hochgeschreckt hatten.
    »O nein«, flüsterte Harry. Er war blaß geworden. »Damit habe ich nicht gerechnet.«
    Auch ich war geschockt und dachte darüber nach, was die Fliegen mit den Menschen verband.
    »Warum nur? Wieso ist das möglich? Was haben sie vor?«
    Harry hob die Schultern. »Eins sage ich dir, John, wir haben hier in ein Fliegennest gestochen, nicht in ein Wespennest. Ich glaube inzwischen, daß es keinen Dorfbewohner gibt, der nicht verseucht worden ist. Die Fliegen haben die Menschen in Besitz genommen.«
    »Ja, die Fliegen und Bronzek.«
    »Er ist ihr Chef.«
    Mir war der kalte Schweiß ausgebrochen, als ich den Laden verließ. Draußen stand die Luft. Es war totenstill geworden. Kein Stimmengewirr wehte über die Straße. Wir kamen uns vor wie zwei Menschen, die in der Einöde standen und darauf warteten, daß etwas passierte.
    Hier geschah nichts.
    »Sie warten«, sagte Harry, als er sich neben mich gestellt hatte.
    »Sie warten darauf, daß Bronzek kommt.«
    »Der Tote.«
    »Der Fliegenmann.«
    »Und was tun wir?«
    Harry hob die Schultern. »Willst du jedes Haus durchsuchen? Willst du dir anschauen, was mit den Menschen geschehen ist?«
    »Nicht unbedingt.«
    »Ich auch nicht.«
    »Eines steht fest«, sagte ich. »Wir haben den Fliegenmann gestört. Im Wald habe ich ihn für einen Moment gesehen, du ja auch. Er war nackt – eine widerliche Gestalt. Er beherrscht die Fliegen. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat, aber er wird versuchen, die Feinde zu erledigen.«
    »Also uns.«
    »Sicher.«
    »Dann müßte er bald hier erscheinen.«
    Ich hob die Schultern. »Schau dich mal um, Harry. Irgendwo müssen wir ihn erwarten.«
    Der Deutsche hob die Schultern. Er wußte keinen Ort. In ein Haus wollten wir nicht gehen. Es blieb eigentlich nur eine Möglichkeit, und die war auch am besten.
    »In den Wagen«, sagte ich.
    Harry nickte. »Du nimmst mir das Wort aus dem Mund…«
    ***
    Die Sonne hatte sich zurückgezogen. Sie ging auch nicht in einem prächtigen Rot unter, denn dazu war der Himmel einfach zu schmutzig geworden. Ein dichter Wolkenschleier hatte die Helligkeit vertrieben. Zog ein Gewitter herauf?
    Wir hatten die Scheiben heruntergekurbelt, um wenigstens ein wenig Durchzug zu bekommen. Es half nicht viel. Im Wagen blieb es stickig. Und es ließ sich kein Mensch mehr auf der Straße blicken.
    Die Bewohner waren in ihren Häusern verschwunden. Niemand wollte sich zeigen, sie alle warteten auf das große Ereignis.
    Harry trommelte mit den Fingerkuppen auf den Lenkradring. »Sie kommen«, sagte er, »sie kommen bestimmt.«
    »Wen meinst du?«
    »Die Fliegen.«
    Ich winkte ab. »Vergiß sie, Harry. Die
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