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0925 - Blutzoll

0925 - Blutzoll

Titel: 0925 - Blutzoll
Autoren: Jason Dark
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mir.
    Bisher hatte ich geschwiegen. Es änderte sich, als ich fragte: »Was willst du?«
    »Das Buch!«
    »Stimmt. Nur das?«
    »Nein, ich will auch dich haben. Ich will all die vernichten, die mir im Wege stehen, und du gehörst dazu.«
    »Wie auch Paul Sibelius, denke ich.«
    »Ja, er auch.«
    »Darf ich fragen, wer du bist? Ich kenne dich nicht. Ich weiß, daß man dich den Schatten oder den Begleiter nennt, aber wer bist du wirklich?«
    »Du hast es sehr treffend formuliert«, gab er zu.
    »Schön, aber das ist mir zuwenig.«
    Bevor er sprach, hörte ich ihn lachen oder kichern, wie auch immer. »Allen Menschen ist es zuwenig. Alle sind neugierig. Alle wollen immer alles wissen, das habe ich gelernt. Ich bin alles, aber ich bin nur einer, verstehst du?«
    »Nein.«
    »Ich meine es gut mit den Menschen!«
    Beinahe hätte ich gelacht. Die Lüge war einfach zu offensichtlich. »Gut meinst du es? Das kann ich nicht glauben. Wenn es jemand mit den Menschen gut meint, dann sorgt er dafür, daß sie am Leben bleiben und schwärmt ihnen nicht von einem Selbstmord vor. Das paßt nicht zusammen.«
    »Doch - bei mir schon.«
    »Kannst du das erklären?«
    »Ich will, daß sie mit einem guten Gewissen sterben. Daß sie dabei fröhlich sind. Ich zeige ihnen zuvor, was sie erwartet. Ich sorge dafür, daß sie schon als Lebende die Welt kennenlernen, in die sie als Geister später eintauchen werden.«
    »Welche Welt?«
    »Auch du kanntest sie.«
    »Die Welt im Totenbuch?«
    »Ja«, gab er zu, »es ist mein Reich. Und ich habe versprochen, es zu füllen. Ich habe mir nicht nur einfach die Durchschnittsmenschen ausgesucht, nein, ich spezialisierte mich auf die Selbstmörder, denn sie waren bereit, in den Tod zu gehen - wenn ich sie dazu überredet hatte.«
    »Und wo liegt deine Welt?«
    »Neben dir.«
    Ich schluckte. »Das Buch? Das Totenbuch? Das soll tatsächlich deine Welt sein?«
    Der Schatten stimmte mir zu. »Ja, so ist es. Darin ist meine Welt. Auch ich bin ein Teil von ihr. Ich bin ein Stück des Totenbuchs. Ich habe mich dort ebenfalls aufgehalten, aber ich bin freigekommen, und so sorge ich als Schatten dafür, daß sich die Seiten mit Bildern füllen, wie du gesehen hast.«
    Ich stieß den Atem aus und sagte dann: »Leider habe ich nur ein Bild gesehen, und darauf war jemand abgebildet, der nicht Selbstmord begangen hat.«
    »Das weiß ich. Er war zu neugierig. Er ist in meine Welt freiwillig eingetreten.«
    »Kroch er in das Buch?« fragte ich flüsternd.
    »Nein, wahrlich nicht. Du begreifst es nicht.«
    »Wie sollte ich auch.«
    »Es sind die Bilder, die unter meiner Kontrolle stehen. Einmal sind sie in dem Buch vorhanden, zum zweiten aber kann ich dafür Sorge tragen, daß sie es verlassen. Sie können aus dem Buch herausund in die normale Welt eintreten, und dort wiederum bauen sie sich ebenso auf, wie du sie aus dem Buch kanntest.«
    »Das ist ungewöhnlich.«
    »Du verstehst es nicht?«
    »Ich bemühe mich darum. Es gibt diese Bilder also zweimal. Einmal im Buch und zum anderen in der Realität, als eine mehrdimensionale, feinstoffliche Szenerie. Habe ich das korrekt gesagt?«
    »Das hast du.«
    »Und wo läßt du die Bilder entstehen? Einfach so? Neben mir, vor mir, wie auch immer.«
    »Ich könnte es, aber ich habe mir dafür einen bestimmten Ort ausgesucht und ihn in Besitz genommen. Du kennst ihn…«
    »Es ist der Anbau, in dem Paul Sibelius starb.«
    »Das ist wahr.«
    »Okay, ich habe seinen Tod erlebt. Ich sah das Totenbuch vor ihm liegen, aber ich weiß noch immer nicht, weshalb dieser Mann sterben mußte. Was hatte er dir getan?«
    »Er war ein Verräter. Ja, er hat mich verraten. Das kann ich dir sagen. Er wollte mehr…«
    »Was wollte er?«
    »Mich herausfordern und mich vernichten. Er war jemand, der hinter die Dinge schaute. Er hat sich lange mit dem Tod beschäftigt, aber auf rein wissenschaftlicher Ebene. Er war ein Forscher, nicht direkt ein Jenseitsforscher. Er wollte herausfinden, weshalb Menschen freiwillig in den Tod gehen, und er hat mit vielen von ihnen gesprochen. Auch wollte er ein Buch veröffentlichen, und es blieb nicht aus, daß er bei seinen Forschungen irgendwann auf mich stieß. Er mochte mich nicht. Er hat mich nie gesehen, andere haben ihm von mir berichtet und ihn neugierig gemacht. So kam er mir immer näher, und er fand auch das Totenbuch. Er stahl es, und er wollte mich ausschalten. Aber ich war schneller. Er hatte mich unterschätzt, deshalb mußte ich ihn töten, ebenso
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