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0910 - Der Totflüsterer

0910 - Der Totflüsterer

Titel: 0910 - Der Totflüsterer
Autoren: Oliver Fröhlich
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konnte sie sich abfangen und rannte weiter. Vorbei an all den grauenhaften Kreaturen, die nach ihr griffen, sie in den Haaren packen wollten, ihre Bluse zerfetzten.
    Und dann, nach stundenlangen Sekunden der Flucht, hatte sie es geschafft! Sie hatte den Ausgang des Gebäudes erreicht.
    Ein erleichtertes Lachen, nahe an der Grenze zur Hysterie, entrang sich ihrer Kehle, als sie endlich draußen auf dem Bürgersteig stand.
    Bereits wenige Augenblicke später erstarb ihr Lachen, denn auch die Straße war übervölkert von Monstern!
    »Nein!«, hauchte Aurelie. »Das darf nicht wahr sein. Das kann nicht wahr sein!«
    Mit einem lauten Schrei auf den Lippen wollte sie davonlaufen. Weg, weg, nur weg von hier!
    Gerade als ein Toter, in dessen gespaltenem Schädel noch die Axt steckte, nach ihr greifen wollte, rannte sie auf die Fahrbahn.
    Von rechts raste ein riesiger Schatten auf sie zu. Aurelie kreiselte herum, bereit sich gegen jeden Angreifer zu wehren.
    Doch gegen diesen Angreifer hatte sie keine Chance!
    Das Letzte, was sie in ihrem Leben sah, war der LKW, der ihrer Flucht ein jähes Ende bereitete.
    ***
    Edouard Pereire stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite gegen eine Wand gelehnt und lächelte. Das Quietschen der LKW-Reifen auf dem Asphalt, der dumpfe Schlag, mit dem die Kühlerhaube gegen die Frau prallte, das Kreischen der Passanten, als die Frau unter dem Wagen verschwand und die breiten Zwillingsreifen sie zermalmten, das tosende Klirren, als sich der LKW-Anhänger quer stellte, umstürzte und seine Ladung Tausender Weinflaschen über die Fahrbahn ergoss - sie alle vereinten sich in Pereires Ohren zu einer wahren Symphonie.
    Mit geschwellter Brust atmete er tief durch, so wie es ein Wanderer in den Bergen tun mochte, wenn er die gute Luft genoss. Ein wohliger Laut kam über seine Lippen.
    Bald! Bald war es soweit!
    In einer oder zwei Stunden würde der Hungerschub kommen, den er stillen musste. Danach stand die Umformung des Körpers an. Die vorletzte!
    Es war nur noch eine Frage der Zeit, dann konnte er diesen menschlichen Körper hinter sich lassen. Dann wurde aus Edouard Pereire auch äußerlich der, der er innerlich schon lange war: Agamar!
    Er beobachtete, wie die Menschen aufgeregt auf der Straße hin und her rannten. Manche versuchten, der Überfahrenen zu helfen (was, wie Agamar wusste, keinen Sinn mehr hatte). Andere redeten beruhigend auf den Fahrer des LKWs ein. Wieder andere starrten mit ausdruckslosen Gesichtern auf die Straße. Einige sprachen auch in ihre Telefone oder diskutierten untereinander das, was sie gerade hatten mit ansehen müssen.
    Über der Straße lag ein Teppich aus Menschenstimmen. Beinahe so wie damals, als Agamar die kleine Siedlung zerstört und alle Einwohner getötet hatte. Wie aufgescheuchte Hühner waren die Leute durch die Gassen gerannt; hatten ihre Angst herausgeschrieen und waren am Ende doch nicht entkommen!
    Für Agamar war diese Erinnerung gerade mal ein paar Monate alt, auch wenn er nach der Übernahme von Pereires Körper erkennen musste, dass inzwischen tatsächlich schon zweitausend Jahre vergangen waren. Dass an die Zeit dazwischen in seinem Gedächtnis eine riesige Lücke klaffte, konnte nur zweierlei bedeuten: Etwas musste schief gegangen sein - und die Auswahl der Dämonen, die er getötet hatte, war hervorragend gewesen.
    Er hatte damals Lucifuge Rofocale stürzen und vernichten wollen! Weil er dazu zu schwach war, hatte er einen grandiosen Plan gefasst: Er tötete über lange Jahre hinweg einige hochrangige Dämonen, übernahm ihre Kräfte und schaffte so nebenbei noch Konkurrenten aus dem Weg. Mit einem magischen Gift verbrannte er sie zu Asche, die die Fähigkeiten seiner Opfer konservierte, sie aber an Agamar abgab, wenn er die Asche in sich hineinstopfte.
    So gestärkt trat er schließlich zum Duell gegen Lucifuge Rofocale an. Er hatte ihn schon so gut wie besiegt, als wie aus dem Nichts plötzlich ein Weißmagier erschien, ihm eine halbe Schwinge abschlug und ihn dadurch so ablenkte, dass Lucifuge Rofocale…
    Hier endete Agamars Erinnerung! Mehr wusste er nicht.
    Im einen Augenblick spürte er noch die Schmerzen der Verletzung durch den Weißmagier, im nächsten erwachte er - an eine Wand genagelt und von einem Mann begafft!
    Der erste Dämon, den Agamar getötet hatte, um Stärke zu sammeln, war ein hässliches, gemeines Wesen namens Krychnak gewesen. Dessen besondere Fähigkeit war es, in Körperteilen, die er im Kampf verlor, einen Splitter
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