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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit
Autoren: Simon Borner
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lachte kurz auf, verneigte sich dann knapp und sagte den einen Namen, den Zamorra schon geahnt hatte.
    »Imperator Gaius Pius Esuvius Tetricus sum.«
    Tetricus I. Der Kaiser des Imperium Galliarum!
    ***
    Augusta Treverorum, im Januar des Jahres 274 n. Chr.
    »Bringt mir meinen Sohn!«, schrie Terticus in den Flur, dann knallte er die Tür zu seinem Strategieraum wieder zu. Es war spät geworden, wieder einmal, und noch immer fand der Kaiser des Imperium Galliarum keine Ruhe - und wenn er nicht schlief, sollte auch der princeps iuventutis kein Auge zutun. Immerhin: Machte Terticus all dies nicht für seinen Sohn? Hatte er das Reich nicht all die Jahre geführt, nur damit Gaius der Zweite es eines Tages erben und zu neuen, glorreichen Ufern führen konnte?
    Doch seitdem Rom vor den Toren der Stadt stand, zeigte Terticus' Sprössling nur noch wenig kaiserliche Ambitionen. Manchmal erschien es Terticus so, als habe sein Erstgeborener schon längst kapituliert. Innerlich.
    Doch er, Gaius Pius Esuvius, war noch nicht bereit dazu. Was erwartete sie denn auch jenseits der Kapitulation? Ein Triumphzug durch Rom, dessen Attraktion sie waren - als Gefangene des Reiches. Seht her, Bürger Roms , würde Aurelian stolz verkünden und sich als Held feiern lassen. Seht her, ich bringe euch die Aufständischen von westlich des Rhenus. Vom Ufer der Mosella habe ich sie aufgelesen, denn ich bin der einzig wahre Kaiser eines Reiches unter römischer Führung.
    Pah! Und danach, wenn das Volk sich ausgiebig an ihnen satt gesehen hatte, würde Aurelian seine beiden Gefangenen in irgendeinen Hof zerren und hinrichten lassen. Wie Verräter, die es nicht verdienten, ein langes Leben zu genießen.
    Nein. Das war keine Zukunft für ihn. Nicht für Terticus I., den Imperator eines Reiches, dessen Gebiet sich bis nach Baetica erstreckte. Das Imperium Galliarum war eine Tatsache, eine rechtmäßige Einheit, und nichts, was Rom sagen oder tun konnte, würde daran je etwas ändern.
    Wo war Rom denn gewesen in all den Jahren? Was hatte es denn unternommen, um Postumus aufzuhalten? Um gegen Marius vorzugehen, gegen Victorinus? Nichts! Im Gegenteil: Rom hatte bewiesen, dass es nicht mehr in der Lage war, ein Weltreich zu führen. Ständig wechselnde Männer an der Spitze, interne Scharmützel um Herrschaft und Führungsstil - so war kein Staat zu machen, im wahrsten Sinne nicht.
    Und diesen idiotae sollte er, Terticus, sich nun geschlagen geben, nur weil es plötzlich einer dieser selbst ernannten Möchtegernkaiser bis an die Mosella geschafft hatte? Niemals.
    Zwar hatte er keine Armee zur Verfügung, die der römischen ebenbürtig war, doch lebte Terticus schon lange genug in Germania Inferior, um zu wissen, dass es Waffen gab, die nicht aus Eisen, Holz und Stein gefertigt waren. Weitaus mächtigere Waffen.
    Terticus nahm einen Kelch vom Tisch. Sein Inhalt sah wie Wein aus, bestand aber aus dem Blut eines streunenden Hundes, den der Kaiser erst vor wenigen Minuten getötet hatte. Nun ging er zu dem Schrank, der an der hinteren Wand des Raumes angebracht war, öffnete dessen Tür und goss die dunkle Flüssigkeit auf den Druidenstein, der in ihm lag.
    Er hatte ihn selbst gefunden, bei einem Ausritt vor wenigen Wochen. Terticus und seine Mannen hatten die Heiden vertrieben, die an der Gruppe von Steinen gesessen und absurd scheinende Rituale vollzogen hatten. Und dann, Stunden später, war Terticus noch einmal zurückgekehrt und hatte sich einen der schweren Klötze mitgenommen.
    »Helft mir, oh ihr Mächte«, flüsterte der Imperator nun, legte beide Hände auf die feuchte, klebrige Oberfläche des Steins und konzentrierte sich auf das, was er zu erreichen hoffte. »Verleiht mir die Macht, jene zu vertreiben, die sich dem wahren Weg entgegenstellen. Gebt mir die Stärke, das zu behalten, was meines ist.«
    Plötzlich wurde es dunkel im Zimmer, obwohl die Kerzen nach wie vor brannten. Ein rötliches Leuchten ging von dem Stein aus, und kurz war Terticus versucht, die Hände von ihm zu lösen. Doch er schluckte die Angst hinunter, die in ihm aufzuwallen drohte. War dies etwa nicht, worauf er gewartet hatte?
    Stimmen erklangen in seinem Kopf und riefen seinen Namen.
    »Könnt ihr mir helfen? Könnt ihr meine Armee kräftigen und meinen Willen durchsetzen?«, fragte er in den leeren Raum.
    »Ich kann viele Dinge«, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihm; eine grausame, hämische Stimme, die dennoch Macht versprach. »Und da Ihr mich befreit habt, mein
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