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0907 - Imperium der Zeit

0907 - Imperium der Zeit

Titel: 0907 - Imperium der Zeit
Autoren: Simon Borner
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hatte in diesen Tagen seinen eigenen Willen. Konnte er sich überhaupt noch auf ihn verlassen?
    »Eripe me!«
    Der anklagende Tonfall des Römers riss Zamorra aus seinen Gedanken. Es gab dringendere Probleme, die zu lösen waren. Er musste Bechtel retten, bevor dieser seiner Frau in den Tod folgte, um die Schatten würde sich Zamorra eben danach kümmern müssen - denn allem Anschein nach war der Römer noch nicht gewillt, wieder zu verschwinden.
    »Eripe ME!«, schrie der Legionär und machte, den rötlich glühenden Speer fest nach vorne gerichtet, einen Schritt auf Bechtel zu. Für Zamorra hatte er keine Augen.
    Und vielleicht ist genau das meine Chance.
    Die Idee war absurd und unglaublich gefährlich. Normalerweise hätte Merlins Stern verhindert, dass Zamorra ein solches Risiko einging. Aber das Amulett spielt diesmal nicht richtig mit , dachte der Professor und schluckte trocken. Wird Zeit, dass ich diesen Nachteil auch mal als Vorteil nutze.
    Hätte er ein zweites Mal darüber nachgedacht, hätte Zamorra das, was er nun tat, nicht durchgeführt. Es grenzte an Wahnsinn und brächte ihm sicherlich Nicoles jahrelangen Zorn ein.
    Doch nun, ganz spontan und aus dem Bauchgefühl geboren, hielt er es für das einzig Richtige. Das einzige, was vielleicht half, dem Trierer Spuk endlich auf den Grund zu gehen.
    Zamorra machte einige Schritte auf den Legionär zu, streckte die Arme aus - und umschloss den Speer mit beiden Händen.
    Im nächsten Moment löste sich der Römer auf.
    Und der Meister des Übersinnlichen folgte ihm in den weißen Nebel!
    ***
    Es war nicht schmerzhaft, und es dauerte nur wenige Sekunden - sofern die Zeit im Kontext dieses Erlebnisses überhaupt noch eine Bedeutung hatte. Zamorra spürte, wie der Nebel ihn umfasste, ihn umspülte wie die sanften Wellen eines Meeres. Stärker und stärker strichen die weißen Schwaden über seinen Körper - und machten ihn zu einem Teil von sich!
    Panik brandete in Zamorra auf, als er sah, wie seine Füße und Beine in Dunst übergingen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Was hatte er mit dieser Wahnsinnsaktion erreichen wollen? Das war Selbstmord, nichts weiter. Reiner, völlig unsinniger Selbstmord!
    Und doch hielt er durch. Fest auf seinen Instinkt vertrauend, konzentrierte sich der Professor und versuchte, die Angst und das ungewohnte Erlebnis weitestgehend auszublenden. Seine Hände ruhten auf dem Speer, und das war alles, was zählte. Wo immer er auch enden würde, wusste Zamorra doch, dass der Speer seine Konstante war, sein Leuchtturm in dieser undurchdringlichen Zukunft.
    Dann war es vorbei.
    Augenblicke nachdem sie aus Bechtels Wohnung verschwunden waren, materialisierten Zamorra und der Legionär in einer anderen Welt. Einer Welt aus Nebel. Vorsichtig blickte der Meister des Übersinnlichen sich um, und für einen kurzen, grausamen Moment fühlte er sich an seinen Traum aus der vergangenen Nacht erinnert. Denn wohin er auch sah, sah er nichts!
    Obwohl, so ganz stimmte das nicht. Da waren… Formen. Schemen und Umrisse in der Ferne, doch deckte der helle Dunst alles ab, was ihnen eventuell genauere Konturen verliehen hätte. Zamorra sah Bewegungen in der Suppe, große und klobige Silhouetten, die sich mit der Trägheit schlafwandelnder Elefanten durch den Nebel schleppten, und eine innere Stimme sagte ihm, dass er diesen - was auch immer sie sein mochten - besser nicht begegnen sollte.
    Waren schon die optischen Reize dieses unbekannten Ortes vom Nebel verhüllt, so traf ähnliches auch auf die Akustik zu. Zamorra hörte sehr wohl Geräusche - lang gezogene, tiefe Brummtöne und dann wieder schrille Rufe, die ihn an Adler oder ähnliche Raubvögel erinnerten - doch klangen sie verzerrt und gedämpft, nahezu als müssten sie sich durch eine dicke Wattewand drängen, um sein Ohr zu erreichen.
    »Okay, jetzt bist du am Zug«, sagte der Professor leise und nickte dem Legionär, dessen Speer er noch immer umklammerte wie ein Bergsteiger das rettende Seil. Dann löste er seinen Griff ein wenig.
    Der Römer reagierte sofort - doch war jegliche Aggressivität, wie er sie eben bei Bechtels noch zur Schau gestellt hatte, nun von ihm abgefallen. Genau darauf hatte Zamorra gehofft.
    Mit langsamen, bedachten Schritten setzte sich der Legionär in Bewegung und bahnte sich, den ungebetenen Gast nicht weiter beachtend, einen Weg durch den Nebel. Zamorra folgte ihm im Abstand von wenigen Schritten und konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass der Mann genau
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