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0899 - Schwanengesang

0899 - Schwanengesang

Titel: 0899 - Schwanengesang
Autoren: Christian Schwarz
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ihrer Bettdecke lag. Was war das? Er hatte noch nicht dagelegen, als sie gestern Nacht eingeschlafen war.
    Sollte etwa…? Freudige Erregung begann Judith zu packen. Sie ging in reines Glück über, als sich ihre Faust um den Stein schloss. Er fühlte sich seltsam warm an, fast so, als besäße er Adern, durch die frisches, warmes Blut pulsierte.
    Mein Fürst, ich danke dir von Herzen. Aber warum gerade ich? Was habe ich an mir, das dir so gefällt? Allein die Tatsache, dass mich noch nie ein Mann berührt hat, kann es nicht sein. Oder? Auf jeden Fall werde ich schon bald für immer bei dir sein. Aber werde ich mich dieser riesigen Ehre als würdig erweisen können? Ja, du bist sicher, dass ich das kann. Denn sonst hättest du eine andere an deine Seite geholt…
    Judith warf den Kopf in den Nacken. Stolz und schön sah sie nun aus. Ihre Erregung nahm zu, wurde fiebernd, sie konnte es kaum noch erwarten.
    Wann, wann wird es so weit sein? Wann gehe ich in dein Reich ein, Fürst, um dich jeden Tag schauen zu dürfen?
    Jedes Mädchen im Dorf würde sie nun beneiden. Lairn hatte demnächst ein neues Fest zu feiern, eine neue Hochzeit. Hoffentlich schon bald. Fast zornig kämpfte Judith gegen das warnende Gefühl an, das weit hinten in ihrem Bewusstsein entstand. Was früher gewesen war, war nun vorbei. Nur das Jetzt zählte noch. Der Fürst. Die Stimmen der Vergangenheit hatten zu schweigen.
    Judith hob den seltsamen Stein hoch und betrachtete ihn näher. Er war in Form eines abgrundtief hässlichen Echsenschädels geschliffen, platt gedrückt, von blaugrünen Schuppen überzogen. Gefährliche Hauer ragten über die messerscharfen, schmalen Lefzen. Hätte Judith noch normal denken und fühlen können, hätte sich blankes Entsetzen in ihr breitgemacht beim Anblick dieses Relikts aus eisgrauer Vorzeit. Sie wäre wahrscheinlich wahnsinnig geworden unter dem Einfluss der grausigen Aura, die dieses Etwas verströmte. Doch für Judith bedeutete er die Welt. Sie presste das Götzenbildnis an ihren Mund und sog die gefährliche Strahlung in sich auf.
    Judith hängte das Echsenamulett, das an einer dünnen Lederschnur befestigt war, um den Hals. Dann duschte sie und kleidete sich an. Ihre Eltern saßen bereits beim Frühstück. Hoch erhobenen Hauptes trat Judith in das sonnendurchflutete Zimmer. Der Echsenkopf baumelte frei vor ihrer Brust. Herausfordernd blickte sie ihre zwei Altvorderen an.
    Die schossen von ihren Stühlen hoch und starrten unverwandt auf Judiths Brust. Dann drehten sie langsam die Köpfe und sahen sich in die Augen. Ein verklärter Glanz legte sich auf ihre Gesichter. Sie kreuzten die Arme vor der Brust und verneigten sich tief vor ihrer Tochter.
    »Der erhabene Fürst erweist uns die größte Ehre, die wir uns vorstellen können«, sagte Pete Warren. »Er erhöht uns in den Stand von Schwiegereltern. Lass dir gratulieren, mein liebes Kind.«
    Als die Beiden ihre Tochter umarmten, standen Tränen in ihren Augen.
    ***
    Vergangenheit, 2631 v. Chr., schottisches Hochland
    Oengus legte den erlegten Hirsch, den er über der Schulter getragen hatte, vorsichtig auf den Boden und duckte sich hinter einen Busch. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er, was sich ein Stück unter ihm, zwischen hoch aufragenden Felsen, abspielte. Oengus, Sohn des Häuptlings der Drainoch und fast zwei Meter groß, galt als tapferster Kämpfer und geschicktester Jäger seines Stammes. Angst kannte er nicht einmal dann, wenn er einem hoch aufgerichteten, angriffslustigen Schwarzbären gegenüber stand. Doch jetzt spürte er, wie ihn die Furcht mit eiskalten Fingern erfasste und streichelte.
    Unheimliche Drachenwesen, Ihre Anzahl betrug die Finger an den Händen von zwei Männern, bewegten sich dort unten zwischen den Steinen. Sie trugen Speere und Peitschen. Mit letzteren schlugen sie auf mehrere Männer ein, die Steine aus einer mächtigen Höhle schleppen mussten. Oengus erkannte Ninian und Graupa, zwei Jäger seines Stammes. Sie waren vor drei Tagen zum Jagdzug aufgebrochen, so wie er auch - und diesen schrecklichen Dämonen dort unten in die Hände gefallen!
    Oengus rief in Gedanken die Göttin Pachla an, deren Bild er mit blauer Farbe auf seine mächtige, muskelbepackte Brust gestochen hatte und legte seinen Zeigefinger um Hilfe bittend auf deren Herz, das besonders hervorgehoben war. Er spürte unvermittelt einen warmen Kraftstrom und fühlte sich gleich ein wenig sicherer.
    Der Krieger zuckte zusammen, als einer der Dämonen
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