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088 - Die Sumpfhexe

088 - Die Sumpfhexe

Titel: 088 - Die Sumpfhexe
Autoren: Earl Warren
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gezittert hatten, lachten nun über mich und überschütteten mich mit Spott. Die Kunde von meiner Gefangennahme und meinen ungeheuerlichen Geständnissen gelangte bis nach Spanien.“
    Hier machte Rodrigo eine Pause. Dean lag am Boden, den Kopf in Samanthas Schoß gelegt. Er fühlte kein Grauen mehr vor den beiden Geschöpfen der Nacht, denn er war nun einer der ihren. Was er jetzt fürchtete, waren die Menschen, obwohl er weit stärker und mächtiger war als diese sterblichen Wesen, die wie Ameisen auf ihrem Planeten herumwimmelten. Trotz all ihrer Wissenschaften wußten sie nichts von den Gesetzmäßigkeiten, die in der Welt der Vampire herrschten, von den Dimensionen des Grauens, die auch auf der Erde ihre Auswirkungen zeitigten.
    „Ein Kardinal, der Führer der Inquisition, der das Ohr des Königs hatte, verlangte meine Überführung nach Spanien“, fuhr Rodrigo fort. „Ich sollte auf dem Marktplatz in Madrid öffentlich verbrannt werden. Mit Silberbarren abgedeckt, um meine magischen Kräfte zu brechen, wurde ich in einen Sarg auf einer Galeone verfrachtet, die mit der Silberflotte auslief. Aber ein Tornado dezimierte die Flotte, und Piraten griffen die versprengten Schiffe an. Zwei Galeonen, die vor den Piraten des berüchtigten Blackbeard flohen, hatten das Pech, in einen weiteren Sturm zu geraten. Sie sanken beide vor der Küste. Und ich mit ihnen. Das Wasser vermochte nicht, mir etwas anzuhaben. Ich bin kein Geschöpf, das vom Wasser getötet werden kann. Feuer und magische Symbole – wie Pflock oder Silberstachel – vermögen es. So lag ich im Laderaum der Galeone, Jahre um Jahre. Die Silberbarren auf dem Sarg verhinderten, daß ich meine magischen Kräfte entfalten konnte. Der Hunger wütete und tobte in meinen Eingeweiden. Zeitweise glaubte ich, wahnsinnig zu werden, doch das ist einem Vampir nicht möglich. Ich erlitt alle Qualen der Hölle.“
    Dean verspürte bereits das nagende Hungergefühl in seinem Innern, das Blut und Leben forderte. Er konnte sich vorstellen, welche Leiden Rodrigo erduldet hatte.
    „Eines Tages, nach Ewigkeiten der Qual und des Schmerzes, fühlte ich, daß ein anderes dämonisches Wesen mit mir Kontakt aufnahm. Doreen war es, die Sumpfhexe, die bei einer Beschwörung die Aura entdeckt hatte, die von mir ausstrahlte, und die mich in ihrer Kristallkugel erblickte. Sie vermochte, mit mir Kontakt aufzunehmen, so wie es den Wesen der Nacht untereinander möglich ist, aber es war ihr nicht möglich, mich aus meinem Unterwassergefängnis zu befreien. Sie schickte den Kraken, aber er konnte nicht in den verschlossenen Laderaum eindringen. So mußten Doreen und ich warten, bis das Schicksal selber uns erlöste. Ein Mann kam, der versunkene Schätze suchte. Die weitere Entwicklung ist dir bekannt, Dean.“
    „Ja“, sagte Dean. „Du gewannst deine Macht und deine Kräfte zurück, nachdem das Silber dich nicht mehr hemmte, und du entferntest dich von dem Schiff. Auf dem Meeresgrund – der Sonneneinstrahlung nicht direkt ausgesetzt – vermochtest du, dich ungehindert auch bei Tag zu bewegen. Nach Einbruch der Dunkelheit stiegst du dann an der Küste aus dem Wasser, verwandeltest dich in eine Fledermaus und suchtest die Sumpfhexe auf. Dann begannst du Norman Tait heimzusuchen.“
    Dean sagte nicht „mein Vater“, denn wenn er in seiner jetzigen Existenz überhaupt einen Vater hatte, dann war es Rodrigo.
    „So war es“, kicherte Rodrigo. „Ich sehe, ich brauche dir darüber nicht mehr viel zu erzählen.“
    Rodrigo amüsierte sich. Zumeist empfand er Dinge belustigend, die einem Menschen die Haare hätten zu Berge stehen lassen. Dean merkte, daß auch ein Vampir keineswegs ständig ernst, düster und blutgierig sein mußte. Zumindest nicht in der Gesellschaft von anderen Geschöpfen der Nacht.
    Auch hier gab es Charakter- und Gemütsunterschiede. Rodrigo war Dean trotzdem nicht sonderlich sympathisch. Durch die langen Jahre der Unterwassergefangenschaft war der aus Spanien stammende Vampir wunderlich geworden. Während des Tages, wenn er in der dunklen Höhle schlief, hatte Rodrigo oft Alpträume, schrie, schlug um sich und klapperte mit den Zähnen.
    Zweifellos litt er an einer Psychose. Dean sah keine Möglichkeit, ihm zu helfen, aber Rodrigos Verhalten störte ihn sehr bei seinem Tagdämmerschlaf. Sobald er genug wußte, um sich selbständig zu machen, wollte Dean sich von Rodrigo trennen, das hatte er sich geschworen.
    „Und was ist mit dir, mein Liebling?“ wandte sich
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