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0879 - Henker-Dämmerung

0879 - Henker-Dämmerung

Titel: 0879 - Henker-Dämmerung
Autoren: Roger Clement
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Meditation einluden, empfing der Meister der Harmonie üblicherweise seine offiziellen Besucher.
    Der Abt war gespannt. Es kam selten vor, dass die Ratsmitglieder ihm einen Besuch abstatteten. Der Rat der Weisen bildete die Regierung von Go'nam. Sie kümmerten sich üblicherweise nicht um das Kloster und die Mönche. Und der Abt seinerseits mischte sich nicht in ihre Regierungsgeschäfte.
    Der Klostervorsteher faltete die Hände vor der Brust, als er die Ratsmitglieder in ihren kostbaren Gewändern erblickte. Die Herren von Go'nam erwiderten ihrerseits den Gruß des Abtes nicht besonders respektvoll.
    Aber der Meister der Harmonie ging darüber hinweg. Gewiss sind sie mit den Gepflogenheiten unseres Klosters nicht sehr vertraut , sagte er sich.
    »Was ist euer Begehr, meine Herren?«
    Der Abt kam sofort zur Sache. Er schätzte es nicht, wenn um den heißen Brei herumgeredet wurde.
    Graf Conso, der Ratssprecher, ergriff im Namen aller Räte das Wort. Er war ein kleiner Mann mit wässerigem Blick. Unablässig nestelte er an seiner schweren goldenen Ratskette, die er um den Hals trug.
    »Es geht um den Künder des Dunklen Herrschers, Meister.«
    »Ihr sprecht von dem Henker!«
    Graf Conso runzelte die Stirn. Auch die anderen Ratsmitglieder drückten ihre Missbilligung aus.
    »Nennt ihn nicht so, Meister der Harmonie! Schon Eure Worte verraten Eure hasserfüllte Haltung gegenüber dem Künder und seiner Religion!«
    Der Abt lächelte.
    »Wir hassen niemanden. Hass ist ein Geistesgift, das in unserem Kloster keinen Platz hat.«
    »Ha!«, sagte Graf Conso. »Und doch lauft Ihr und Eure Mönche waffenstarrend durch die Gegend, um die ganze Welt einzuschüchtern!«
    »Unsere Schwerter sind Teil der Tradition. Sie dürfen nur zur Verteidigung von Go'nam und seinen Bewohnern eingesetzt werden. Sonst verlieren sie ihre magischen Kräfte.«
    Graf Conso ging nicht auf die Bemerkung ein.
    »Wie auch immer. Jedenfalls hat der Künder des Dunklen Herrschers uns, dem Rat der Weisen, ein sehr großzügiges Angebot gemacht. Er schlägt einen Nichtangriffsvertrag zwischen dem Reich von Ankora und unserem geliebten Go'nam vor.«
    »Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dass sich Nachbarn nicht einfach gegenseitig attackieren.«
    Graf Conso wischte sich mit einem kostbaren Tuch über seine schweißnasse Stirn. Er schien zu überlegen, ob der Abt ihn auf den Arm nehmen wollte. Aber das magere Gesicht des Klostervorstehers blieb unbewegt.
    »Jedenfalls haben wir, der Rat der Weisen, beschlossen, auf das großzügige Angebot einzugehen. Allerdings gibt es eine Bedingung. - Die Schwert-Mönche eures Klosters sollen ihre Waffen abgeben!«
    Diese Forderung traf den Meister der Harmonie wie ein Schock. Dennoch blieb er ruhig.
    »Warum?«
    »Weil sich der Künder und die Seinen von Euch bedroht fühlen, Meister! Solange die Mönche bewaffnet sind, kann es keinen echten Frieden zwischen Ankora und Go'nam geben. So waren seine Worte.«
    »Ihr habt mit ihm gesprochen?«
    Graf Conso nickte.
    »Ist er noch ein Mensch? Oder ist der Künder bereits zu einem Dämon geworden, so wie die Kreatur, der er dient?«
    Diese Frage des Abtes löste grenzenlose Empörung bei den Ratsmitgliedern aus. Alle redeten wild durcheinander, schimpften und drohten dem Meister der Harmonie.
    Schließlich ergriff Graf Conso wieder das Wort.
    »Ihr habt nun endgültig bewiesen, dass Ihr ein Feind des Künders seid, Meister! Ihr hasst seine Religion!«
    »Ich hasse nichts und niemanden, ehrwürdiger Graf. Aber ich begreife nicht, warum ihr unsere Schwerter beseitigen wollt - und andererseits den Schwertern von Ankora Tür und Tor öffnet.«
    Mit dieser Frage hatte der Abt die Ratsmitglieder verunsichert. Sie schlugen die Augen nieder. Einige murmelten etwas von »anderer Mentalität« und »das Fremde verstehen wollen«.
    »Das ist Politik, und damit habt ihr nichts zu schaffen«, sagte Graf Conso schließlich. »Also: werdet Ihr eure Schwerter abgeben?«
    Für einen Moment herrschte gespannte Stille in der Großen Halle der Natur.
    »Selbstverständlich«, sagte der Meister der Harmonie schließlich. »Ihr seid die Herren unseres Landes, und wir Mönche werden uns fügen. Damit besiegeln wir unseren eigenen Untergang. Da bin ich mir sicher. Wir werden alle sterben.«
    Der Abt schaute Graf Conso in die Augen. Der Ratsvorsitzende konnte seinem Blick nicht standhalten.
    »Aber es spielt keine Rolle«, fuhr der Klostervorsteher fort. »Der Künder kann dieses Kloster
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