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0867 - Emily

0867 - Emily

Titel: 0867 - Emily
Autoren: Jason Dark
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er hindurch.
    Ein Sprung, die Flügel schwangen auseinander, und Zebulon, die Traumgestalt, wurde zu einem Teil der Nacht, die bereits auf die Sommerdämmerung wartete.
    Emily stand noch eine Weile am Fenster und schaute hinaus. Irgendwann drehte sie sich um, ging zu Bett.
    Dann schloß sie die Augen. Bald schon war sie eingeschlafen, doch die Erinnerung an eine bestimmte Tat ließ sich nicht verwischen, sie kehrte zurück.
    Immer und immer wieder.
    Nacht für Nacht…
    ***
    Die Träume!
    Nein, nicht die Träume, sondern nur ein Traum. Ein Ereignis, das immer wiederkehrte und an dem sie auch nichts ändern konnte, obwohl sie es wollte.
    Sie sollte es nicht vergessen. Da mußte es jemand geben, der es für besser hielt, wenn sie es nicht vergaß. Emily wußte nicht, wer dieser Jemand war, obwohl sie darüber schon intensiv nachgedacht hatte. Sie war zu keinem Resultat gekommen, und das wiederum quälte sie. Es gab da eine Antwort, die aber wollte sie nicht akzeptieren, denn sie mochte dieses Wort einfach nicht.
    Gewissen hieß es.
    Komisch, so abgeschmeckt, nicht mehr zeitgemäß, wie sie schon oft gehört hatte.
    Die Menschen hatten kein Gewissen mehr. Sie übergingen es, weil nur die Interessen zählten. Ob auf dem Balkan oder in Ruanda. Aber auch in China und in einigen arabischen Ländern existierte das Gewissen der Menschen nicht mehr. Sie hatten es abgegeben, sie dachten nur an sich selbst und an ihre Interessen.
    Auch Emily hätte das Gewissen gern ausgeschaltet. Das war ihr leider nicht gelungen. Sie war wohl noch zu jung und auch nicht stark genug, um es auszuschalten.
    Deshalb blieb es, und es kehrte besonders dann sehr stark zurück, wenn sie schlief. Das Gewissen bemächtigte sich dann ihres Unterbewußtseins. Es trieb die schreckliche Erinnerung des so einschneidend Erlebten in ihr hoch, es war wie ein permanenter Quälgeist, der sich nicht stoppen ließ, und deshalb hatte sie auch Furcht davor, sich schlafen zu legen.
    Wie in dieser Nacht.
    Sehr schnell war sie eingeschlafen. Ihre letzten Gedanken hatten dem großen Freund Zebulon gegolten, aber sie schwammen sehr schnell dahin und verblaßten.
    Jetzt gab es nur noch das eine.
    Der Schlaf übermannte sie.
    Aus dem Dunkel einer unauslotbaren schwarzen Tiefe stiegen sie wieder hervor. Sie waren wie lange, bunte Nebelschleier. Schatten, die sich nicht anhalten ließen, die in ihr Blickfeld gerieten, um sich dort wieder zu verändern.
    Aus den Schatten entwickelten sich Bilder. Sie verloren ihre seichte Schwammigkeit, sie nahmen harte Konturen an, sie blieben auch nicht stehen, und sie vereinigten sich zu einem Film, bei dem das Unterbewußtsein der Produzent war.
    Die Schlafende sah.
    Da war ihre Mutter, das war ihr Vater!
    Beide standen vor ihr. Die Gesichter waren verzerrt; die Wut spiegelte sich auf ihnen. Wut und Zorn auf die Person, die sie ihre Tochter nannten, die ihnen aber nicht gehorcht hatte und ihren eigenen Weg gegangen war.
    Sie hatte Tiere getötet. Eine Katze und zwei kleine Hunde. Sie hatte sie zuvor gemalt und ihren Eltern erklärt, daß sie immer wieder töten würde.
    Das wollten die beiden nicht. Sie hatten ihre Tochter geschlagen, auch an diesem Abend, wo Emily weinend in einer Ecke ihres Zimmers lag.
    Die Eltern standen vor und auch über ihr. Dabei wirkten sie wie böse Riesen aus einem Märchenreich. Besonders ihre Mutter, deren Gesicht nur mehr eine Fratze war und die Wut nicht mehr zügeln konnte. Sie sprach davon, die eigene Tochter in ein Heim zu stecken, und diesmal würde sie ihre Drohung wahr machen.
    Auch der Vater war damit einverstanden. Er nickte zu den Worten, denn er tat immer das, was seine Frau wollte. Noch nie hatte er widersprochen.
    »Morgen! Morgen werden wir dich in ein Heim stecken!«
    Emily glaubte der Mutter und sagte kein Wort zu ihrer Verteidigung, und sie wurde tatsächlich in ein Heim gesteckt.
    Vier Wochen. Vier Wochen ohne Besuch!
    Im Traum lief diese Zeit blitzartig ab. Eine Sinfonie aus grellbunten und schrecklichen Bildern, und jede einzelne Szene steigerte den Haß gegen ihre Eltern.
    Erst nach einem Monat wurde Emily von ihren Eltern besucht. Sie fuhren aufs Land. Bei einem Essen sprachen sie miteinander. Die Mutter schlug vor, sie wieder aus dem Heim herauszuholen, und sie wartete auf Emilys Reaktion. Doch die hatte nur die Schultern gehoben. Es war ihr eigentlich egal, was die Eltern nicht begriffen.
    Sie fuhren mit ihr nach Hause. Emily sah ihr Zimmer wieder, wo sie die nächste Nacht verbringen
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