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0867 - Die Pesthexe von Wien

0867 - Die Pesthexe von Wien

Titel: 0867 - Die Pesthexe von Wien
Autoren: Christian Schwarz
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Dort hatte Amber das Gitter vor dem betreffenden Knochenschacht durchgesägt, sich durch den Knochenberg gewühlt und das Skelett der Hexe an lange, dünne, unzerreißbare Fäden gehängt, die den Schacht hochführten. Von der Hexe beeinflusste Raben hatten sich im richtigen Moment der Fäden bemächtigt und das Skelett aus dem Knochenberg gezogen. [6]
    »Das Biest ist äußerst raffiniert«, stellte Nicole zum wiederholten Mal fest. »Aber die Zeiten, in denen sie uns immer einen Schritt voraus war, sind vorbei. Jetzt legen wir nämlich sie rein. Und dann heißt's für die gnädige Frau Hexe: Aus die Maus. Ab in den ORONTHOS. Dieses Mal schützt sie keine heilige Kreuzpartikel davor.« Nicole spielte darauf an, dass das Holzstück aus dem Kreuz Jesu die Hexe zwar gebannt, gleichzeitig aber auch ihre endgültige Höllenfahrt verhindert und so ihre Wiedergeburt ermöglich hatte. Das hing mit einer seltsamen Kraft zusammen, die selbst den größten Sündern Gnade und Erlösung gewähren wollte, wenn sie nur ihre Taten bereuten. Die Reliquie hatte dem Geist der Hexe also durch die Wiedergeburt eine letzte Chance zur Umkehr gelassen. Das hieß, dass es sich bei der heiligen Kreuzpartikel um eine äußerst machtvolle Kraft und somit um ein echtes Stück Holz aus dem Kreuze Jesu gehandelt hatte. Dummerweise hatte Zamorra es durch gekonnte Intrigen der Hexe zerstört.
    »Reinlegen? Wie meinst du das, Nici? Hast du eine Idee?«
    »Hab ich, Chéri.«
    »Und wie geht die?«
    Sie sagte es ihm.
    Zamorra starrte sie an, als sei sie übergeschnappt.
    ***
    10. Oktober 1704, Hofiurg Wien:
    »So geht das nicht weiter mit diesen verdammten bayrischen Verrätern, verehrter Herr Vater«, schnaubte Joseph und sah Kaiser Leopold herausfordernd an. »Ich bin der Ansicht, dass Ihr viel zu milde mit ihnen umgeht. Sie haben Feuer und Schwert verdient, nichts sonst.«
    Kaiser Leopold, den die Vitalität mit nunmehr 64 Jahren weitgehend verlassen hatte, sah seinen Sohn nachdenklich an. Stolz und unbeugsam stand er da, der römisch-deutsche König, der ihm einst auch als Kaiser auf den Thron nachfolgen würde. Fast ein wenig arrogant wirkte er. Joseph teilte die Leidenschaft seines Vaters für Musik und war wie dieser kompositorisch tätig. Im Gegensatz zu sich selbst bemerkte Leopold an seinem Ältesten in letzter Zeit aber eine Brutalität, die ihn zutiefst erschreckte. Manchmal war er geneigt, Joseph blanke Mordlust zu unterstellen. Sein Sohn schien ein Mann zu sein, der über Leichen ging.
    Leopold war des Kämpfens längst überdrüssig geworden. Viel lieber hätte er sich voll und ganz seinen Kompositionen gewidmet. Aber das ging nicht. Seine Gedanken schweiften vier Jahre zurück. Als 1700 mit Karl II. der letzte Habsburger auf dem spanischen Thron gestorben war, hatte auch Frankreich aufgrund einer unseligen testamentarischen Verfügung Ansprüche auf das spanische Erbe erhoben. Der Krieg zwischen den Habsburgern und Frankreich war unausweichlich gewesen. Seit vier Jahren tobte der spanische Erbfolgekrieg nun schon in Europa. Der unselige bayrische Kurfürst Max Emanuel hatte sich in dieser Auseinandersetzung schon anfänglich von Österreich losgesagt und sich auf die Seite Frankreichs geschlagen. Doch am 13. August hatte Prinz Eugen von Savoyen der französischbayrischen Allianz gezeigt, was eine Harke war und Max Emanuel samt dem französischen Marschall Tallard in der Schlacht von Höchstädt vernichtend geschlagen.
    Kaiser Leopold seufzte leise. Über Kurfürst Max Emanuel war die Reichsacht verhängt, die Regentschaft der Wittelsbacher lag vorübergehend in Händen der Kürfürstin Therese Kunigunde. Ihr hatte er im Vertrag von Ilbesheim großzügige Konditionen gewährt und München unter ihrer unmittelbaren Herrschaft belassen. Ein weitsichtiges Vorgehen, wie Leopold fand, denn dadurch vermied er zeitraubende Kämpfe der österreichischen Garnisonen in den bayrischen Städten. Aber Joseph sah das als Schwäche an. Er wäre lieber mit aller Macht gegen die Bayern vorgegangen.
    »Ihr hättet der Fürstin München niemals überlassen dürfen«, bestätigte Joseph des Kaisers Gedankengänge. »Die Bayern werden sich wieder erholen und uns erneut das Leben zur Hölle machen. Es sind und bleiben schmutzige Verräter. Vater, ich flehe Euch an. Gebt mir Truppen, um die Wittelsbacher wieder unter habsburgische Herrschaft zu zwingen, wo sie hingehören. Oder noch besser, überlasst mir den Kelch, damit ihn ein Bote nach München trägt und
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