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0866 - Rattennacht

0866 - Rattennacht

Titel: 0866 - Rattennacht
Autoren: Jason Dark
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Ratte, die aus irgendeinem Loch gekrochen ist und vor unseren Füßen herrannte. Ein Wunder, daß sie uns nicht angesprungen und sich festgebissen hat.«
    Suko sah es nicht so tragisch. »Weißt du, Shao, in Paris gibt es nicht nur Menschen, die Stadt ist auch für ihre Ratten berühmt. Sie sind an allen Orten, warum nicht auch hier auf dem Friedhof?«
    Die Chinesin überlegte. Sie strich dabei über ihr Haar. Mit den Schneidezähnen kaute sie gedankenverloren auf ihrer Unterlippe. »Ich kann mir nicht helfen«, sagte sie, »aber dieses Erscheinen der Ratte in unserer unmittelbaren Nähe finde ich nicht normal. Ratten sind im Prinzip scheu und verstecken sich. Warum hat sie ihr Versteck verlassen und ist in unserer Nähe vorbeigehuscht?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Na ja.« Sie hob die Schultern. »Vielleicht war es denn doch ein Zufall.«
    »Ganz bestimmt sogar.«
    »Sicher klingt deine Stimme auch nicht.«
    Suko wollte eine Antwort geben, als beide den Schrei hörten. Es war nicht der Schrei eines Menschen, er klang zudem anders. Es war ein schriller, hoher Ruf, als wären die Saiten eines Instruments gequält worden, und dieser Schrei war so laut, daß sie sofort hörten, aus welcher Richtung er gekommen war. Aus den tiefen Schatten zwischen den Gräbern.
    »War das die Ratte, Suko?«
    »Ich denke schon.«
    »Sollen wir nachsehen?«
    Darauf hatte der Inspektor gewartet. Er kannte seine Lebensgefährtin. Sie war ja wie er. Beiden war die Begegnung mit diesem seltsamen Mann nicht geheuer gewesen, beide hatten sie verdrängt, jedoch das Unterbewußtsein spielte nach wie vor mit diesem Treffen und beherrschte ihre Gedankenwelt.
    »Die Ratte und er!«
    »Du meinst Absalom?«
    Shao lachte leise. »Davon bin ich überzeugt. Dieser Mann kann etwas damit zu tun haben.«
    »Noch sehe ich die Verbindung nicht, wenn ich ehrlich sein soll. Sorry, da bin ich überfragt.«
    »Ich nicht, Suko, und ich will…«
    »Sei still.«
    Suko hatte als erster das ungewöhnliche Geräusch gehört. Es klang auf irgendeine Art und Weise dumpf, gleichzeitig hastig, schnell und trippelnd, als wären zahlreiche Füße dabei, über einen harten Boden zu rennen.
    Das Geräusch war aus der Richtung gekommen, aus der auch die erste Ratte erschienen war. Sie blickte dorthin. Jenseits des Wegs bewegte sich etwas, da schien der Erdboden wie ein Teppich Wellen geworfen zu haben.
    Und dieser lebende Teppich rollte heran.
    Ein Teppich aus Tierkörpern. Ein Rattenteppich aus mehr als zwei Dutzend Tieren, der sich auf ein neues Ziel zubewegte. Der wallte und gab sich wie ein lebendiges Meer.
    Die Ratten waren nicht zu halten. Sie wanderten dicht gedrängt und nicht weit von den beiden Zuschauern entfernt, quer über den asphaltierten Weg und huschten dann wieder hinein in die Finsternis, wo sie von keinem Schein der wenigen Laternen erwischt werden konnten.
    So rasch, wie der Spuk gekommen war, so schnell war er auch wieder verschwunden.
    Keine Ratte hatte Suko oder Shao angesprungen. Sie standen auf dem Fleck und schauten sich entgeistert an. »Das ist ein Hammer«, flüsterte Suko schließlich, »jetzt glaube ich allmählich auch, daß du recht hast, Shao.«
    »Inwiefern?«
    »Daß hier etwas nicht in Ordnung ist. Und ich fange sogar damit an, das Auftauchen der Ratten mit Absaloms Erscheinen in Verbindung zu bringen, obwohl mir jegliche Beweise fehlen.«
    »Die können wir uns holen.«
    »Du willst die Ratten verfolgen?«
    »Ja, denn ich glaube nicht, daß sie sehr weit weggelaufen sind. Die haben hier irgendwo in der Nähe ein Ziel. Anders kann es nicht sein. Ich glaube auch nicht daran, daß es anders ist.«
    Als wollten die Tiere Shaos Worte bestätigen, hörten beide wieder die schrillen Rufe der Vierbeiner, als sollten sie angelockt werden. »Ich frage mich nur, was wir tun sollen, wenn wir von ihnen angegriffen werden«, murmelte Shao.
    »Vielleicht akzeptieren sie uns.«
    »Das kann auch sein.«
    Auf dem Friedhof gab es mehrere Wege. Um einen dieser Nebenwege zu erreichen, hätten Suko und Shao noch weiter vorgehen müssen, bis zum Beginn des großen Denkmals, und genau das wollten sie nicht tun, denn die Ratten hatten sich auch nicht daran gehalten. Sie waren quer über eine der großen Grabflächen gelaufen.
    »Mir ist noch etwas aufgefallen«, sagte Shao, als ihr rechter Fuß die weiche Erde berührte.
    »Und was?«
    »Die Tiere sahen mir nicht gerade aus, als hätten sie sich auf der Flucht befunden.«
    »Das stimmt. Sie sind
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