Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0865 - Aus Tinte geboren

0865 - Aus Tinte geboren

Titel: 0865 - Aus Tinte geboren
Autoren: W.K. Giesa
Vom Netzwerk:
erwacht und ihn unangreifbar werden lässt.«
    Stygia runzelte die Stirn. »Ist ja eine schöne, langweilige Geschichte, die du uns hier vorträgst. Was aber möchtest du uns damit sagen?«
    »Ich will dir eine Frage stellen. Wie kannst du uns in deiner, zugegebenermaßen nicht einmal schlechten, Show vorgaukeln, Zamorra sei auf diesem Friedhof der Vampire durch deine Machenschaften getötet und in ein Grab geworfen worden, wenn mein Spion ihn vor ein paar Stunden noch zusammen mit dem Erbfolger gesehen hat? Jetzt, an diesem heutigen Tag, nicht vor einer Woche oder sonst wann?«
    Stygia war fassungslos. Zugleich begann auch die Stimmung der anderen umzuschlagen. Eben hatten sie ihrer Fürstin noch applaudieren wollen, aber das war jetzt vorbei.
    Sie fühlten sich betrogen.
    »Das ist lächerlich!«, sagte Stygia heiser. »Dein Spion hat dich belogen!«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Vielleicht, um Pluspunkte bei dir zu sammeln!«
    Lucifuge Rofocale schüttelte den Kopf. »Ich denke eher, dass du Pluspunkte sammeln wolltest, in dieser illustren Runde. Mit Lug und Trug. Komm mit mir, und du kannst meinen Spion gern unter fünf Augen befragen.«
    »Warum soll ich mir die Geschichte eines Lügners anhören?«, stieß sie hervor.
    »Warum sollen wir uns die Geschichte einer Lügnerin anhören?«, konterte Lucifuge Rofocale und verschwand in einer Schwefelwolke aus seiner Loge.
    Stygia war entsetzt. Sie hatte die Dämonen nicht belogen. Zamorra war auf dem Friedhof der Vampire gestorben! Sie hatte doch selbst gesehen, wie er als Vampir gepfählt worden war! Warum stritt Lucifuge Rofocale nun dagegen? Sein ominöser Spion konnte Zamorra gar nicht lebend gesehen haben. Das war völlig unmöglich.
    Völlig unmöglich war es aber auch, das den versammelten Dämonen klarzumachen. Sie glaubten Lucifuge Rofocale auf jeden Fall mehr als ihr. Sie war ihnen immer suspekt gewesen durch die Art, wie sie einst den Fürstenthron in Besitz genommen hatte. Und jetzt erinnerten sie sich vermutlich genau daran und vermuteten, erneut mit einem Trick düpiert zu werden.
    Obwohl alles, was sie gesagt und vorgeführt hatte, der Wahrheit entsprach!
    Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht . Das uralte Sprichwort bewies seine Gültigkeit einmal mehr.
    Ihre Gäste entfernten sich schweigend.
    Stygia wandte sich ihren Amazonen zu. »Lasst alles niederreißen!«, befahl sie zornig. Dann schwebte sie mit ihrem fliegenden Teppich zurück in den Thronsaal.
    Am liebsten hätte sie Lucifuge Rofocale auf der Stelle umgebracht. Er hatte mit ein paar Worten alles vernichtet, was sie in all den Jahren aufgebaut hatte.
    Ihr Amt als Fürstin der Finsternis war plötzlich in größter Gefahr!
    ***
    In dem Moment, als Rhett das Tintenfass warf und »Hol dich der Teufel!« rief, blitzte sekundenlang die Llewellyn-Magie wieder in ihm auf, um aber sofort wieder zu verschwinden. Aber etwas Eigenartiges geschah…
    Er merkte zunächst überhaupt nichts davon. Er sah nur, dass an der Wand ein riesiger Klecks entstand, während das Tintenfass zu Boden fiel, ohne dabei zu zerbrechen. Klar , dachte er, Glas zerbricht nur, wenn es voll ist.
    Der Klecks ähnelte tatsächlich den Rorschach-Klecksen, aber auch dem Ding aus dem »Crazy«-Video, nur dass er keiner ständigen Veränderung unterlag.
    Rhetts Zorn verrauchte. Er war mit seinem »Kunstwerk« zufrieden. Die Wand war an dieser Stelle ohnehin noch völlig kahl gewesen. Ursprünglich hatte er hier ein paar Poster aufhängen wollen. Aber die, welche er haben wollte, waren plötzlich ausverkauft. Das Kaufhaus hatte das Poster-Sortiment geändert.
    Na gut. Jetzt war da eben der Tintenklecks, der den gesamten Inhalt des Tintenfasses verbraucht hatte. Wie diese Menge an Tinte so schnell aus dem Glas gepresst worden war, konnte er sich allerdings nicht erklären.
    Wozu auch? Man musste ja nicht für alles eine Erklärung haben.
    Er kicherte. Hieß es nicht, dass der deutsche Reformator und Augustinermönch Dr. Martin Luther, Professor in Wittenberg, in seinem Exil in der Wartburg ein Tintenfass nach dem Teufel geworfen hatte? Sicher, die Wartburg war nicht mit dem Château Montagne zu vergleichen, und er war ein 14jähriger Junge und kein gestandener Professor, aber die Parallelen waren doch verblüffend. Nur, dass Dr. Luther das Tintenfass nach dem Teufel geworfen hatte, um ihn zu vertreiben, und Rhett es an die Wand geworfen und zum Teufel gewünscht hatte.
    »Ab sofort lasse ich mich mit dem Doktortitel anreden«,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher