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086 - Das Grab des Vampirs

086 - Das Grab des Vampirs

Titel: 086 - Das Grab des Vampirs
Autoren: Frank Sky
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Salon versammelt, obwohl es erst kurz vor sieben Uhr war. Alphonse de Marcin plauderte mit Dietmar Runge, der seinen Gesprächspartner auf Ira aufmerksam machte. Sofort wandte sich de Marcin ihr zu. Er reichte ihr die Hand und verneigte sich lächelnd vor ihr.
    „Ich bedauere außerordentlich, daß Sie auf Ihrer Fahrt zu meinem Schloß aufgehalten worden sind“, sagte er.
    Marcin war ein freundlicher alter Herr von etwa sechzig Jahren. Er wirkte gar nicht französisch, sondern erinnerte Ira in seiner ganzen Art und Aufmachung mehr an einen schottischen Adligen. Sein rotwangiges Gesicht strahlte Ruhe aus und ließ erkennen, daß er über eine gehörige Portion Humor verfügte. Störend wirkten allein die etwas zu groß geratenen Zähne, wobei besonders die Eckzähne auffielen. Als Ira sie sah, mußte sie sofort wieder an den Blutmörder denken.
    „Wie charmant!“ sagte ein großer, hagerer Mann, der sich zu der Gruppe gesellte. „Ich nehme an, Sie sind unser neuer Gast Mademoiselle Bergmann? Darf ich mich Ihnen bekannt machen? Ich bin Comte Maurice de Rochelles.“
    Die Fotografin ergriff die große, knochige Hand. Die Umwelt versank für sie. Sie sah nur noch dieses blasse Gesicht mit den rätselhaften schwarzen Augen, in denen sie eine tiefe Trauer zu erkennen glaubte. Sie fühlte sich sofort zu dem Comte hingezogen, so wie sie sich noch niemals von einem Mann hatte anziehen lassen. Instinktiv spürte sie, daß sich hinter diesen seltsamen Augen ein Geheimnis verbarg, das diesen Mann quälte.
    „Angenehm“, sagte sie leise.
    Comte Maurice de Rochelles trug altmodisch wirkende Kleider, aber sie störten nicht, sondern paßten irgendwie zu ihm.
    „Und nun darf ich Sie zum Frühstückstisch führen“, rief Alphonse de Marcin und legte Ira eine Hand auf die Schulter.
    Sie erwachte wie aus einem Traum, bemerkte, daß Dietmar sie irritiert anblickte, und spürte, daß etwas Unerklärliches geschehen war.
    Am Tisch saßen ein älterer, sportlich wirkender Mann, eine füllige Dame und ein puppenhaftes Mädchen, das keine Sekunde ruhig sitzen zu können schien.
    „Darf ich bekannt machen? Lord Wellsley, Lady Tessa und Tochter June“, sagte de Marcin.
    Ira nickte den Engländern zu. Lord Wellsley reagierte mit einem leichten Anheben seiner linken Braue, Lady Tessa lächelte albern, und June nickte Ira zu; dabei musterte sie sie wachsam, als hätte sie eine unerwünschte Konkurrentin abzuschätzen.
    „Alphonse!“ rief Lady Tessa mit übertrieben näselnder Stimme. „Der Tee ist zu kalt! Was ist nur mit Ihrem Personal?“
    „Ich habe mir an der Teekanne die Finger verbrannt“, erklärte Emilie. „Wenn Sie so lange warten, bis der Tee kalt ist, kann ich auch nichts machen.“
    „Servieren Sie, bitte, frischen Tee, Emilie!“ befahl de Marcin, während die anderen am Tisch Platz nahmen.
    Ira stellte fest, daß noch sechs Stühle frei waren. Sie vermutete, daß es weitere Gäste im Haus gab, die noch schliefen.
    Emilie schien schon mit einer Beschwerde der Lady gerechnet zu haben. Sie hielt eine zweite Teekanne bereit und stellte sie auf den Tisch. Dabei verhielt sie sich jedoch so ungeschickt, daß sie etwas Tee verschüttete.
    „Emilie!“ fuhr de Marcin sie an.
    Die Hausdienerin preßte die Lippen zusammen.
    „Entschuldigen Sie, bitte“, entgegnete sie und strich sich mit dem Handrücken über den Mund. „Ich bin etwas nervös. Nach dieser Nacht kann man wohl etwas nervös sein.“
    „Was wollen Sie damit sagen?“ fragte de Marcin scharf.
    „Nichts, nichts“, erwiderte sie ausweichend, aber Ira hörte, wie sie murmelte: „Dieser Spuk kann einen ja verrückt machen.“
    „Wir sprechen uns später in meinem Büro, Emilie.“
    Sie tat, als hätte sie nichts gehört und schlurfte hinaus.
    Wenig später kam Albert Maurnier mit einem großen Brett voller Weißbrot und Brötchen herein. Ira bemerkte, daß er sich ein Glasauge eingesetzt hatte; dadurch sah er jedoch nicht besser, sondern eher noch abstoßender aus. Sie begriff nicht, wie Alphonse de Marcin – ein Mann von offensichtlichem Niveau – einen derartigen Hausdiener einstellen konnte. Albert war allein schon durch seine äußere Erscheinung dazu angetan, Gäste zu vertreiben, und seine mürrische und abweisende Art mußte weniger gutwillige Gäste als sie unbedingt verärgern.
    Dann fiel ihr auf, daß Albert und de Marcin einige Blicke wechselten, die durchaus nicht auf ein Herr-Diener-Verhältnis schließen ließen. Ihr Interesse war sofort
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