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085 - Von den Morlos gehetzt

085 - Von den Morlos gehetzt

Titel: 085 - Von den Morlos gehetzt
Autoren: Peter T. Lawrence
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watschelten mit gesenkten Köpfen weiter und stießen ihr helles Fiepen aus.
    Dicht neben mir schleppten sie den Leichnam einer rundlichen Frau. „Die Toten verlieren ihren Namen“, hatte die Alte im Kanalschacht gesagt. Wie recht sie doch hatte. Ich wandte mich ab von dem grauenhaften Bild, versuchte meine Gedanken zu ordnen, während ich im Schrittempo der Wesen weiterging.
    Irgendwann erinnerte ich mich wieder an die starke Lampe, die ich nicht einmal bei meinem Sturz aus den Händen gelassen hatte. In meiner Jackentasche steckte die Pistole, im Gürtel der Eisenstab. Und da waren noch die Feuerwerkskörper, deren sprühende Helligkeit sie zu gegebener Zeit verwirren und blenden würde.
    Du bist bewaffnet, sagte ich mir. Es wird dir nichts passieren, wenn du die Nerven nicht verlierst. Sie sind zu schwach, zu klein, und sie können ihre Augen nicht schließen. Du brauchst sie nur zu blenden, Rob, dann sind sie wehrlos wie häßliche Würmer an der Angel.
    Das Zirpen um mich herum dröhnte mir in den Ohren. Es schmerzte unsäglich. Irgendwann muß es ja ein Ende geben, dachte ich, schweigend eingereiht in die Masse ihrer plumpen Körper. Irgendwann werde ich Laura finden.
     

     
    Benjamin Wyngard kauerte wie gelähmt in der schützenden Nische, sah, wie sein Freund irgendwo in dem Meer wogender Leiber unterging und wie sie über ihn hinwegtrampelten, um ihren Weg fortsetzen zu können.
    Das Grauen übermannte ihn, machte ihn bewegungsunfähig und taub. Rote Ringe tanzten vor seinen Augen, das Blut rauschte in den Ohren, und sein Kopf fühlte sich an, als müsse er jeden Augenblick zerspringen.
    Zu vieles war hier auf ihn eingestürmt, hatte seine Nerven strapaziert. Die Luft wurde ihm knapp, schmerzhaftes Herzstechen rief Panik hervor.
    Nicht hier sterben, dachte er. Du mußt ruhig bleiben. Nur so kommst du lebend aus dieser schrecklichen Welt heraus.
    Er versuchte wieder Atem zu schöpfen, zuckte zusammen unter den Schmerzen, die beim Luftholen auftraten, aber er zwang sich zur Ruhe, und langsam wich die Beklemmung wieder von ihm. Das Schwindelgefühl verschwand, und bald darauf auch der tobende Schmerz in seinen Schläfen.
    Als er endlich den Kopf wieder heben konnte, war die Prozession verschwunden. Der weite, rötlich schimmernde Gang war leer.
    Wie ein alter, müder Mann schlich er sich aus dem Versteck. Das Gehen bereitete ihm Schwierigkeiten, und die Angst vor einer erneuten Herzschwäche war übergroß. Minuten wurden zu Ewigkeiten, Sekunden zu Jahren, bis er endlich die Stelle erreichte, wo er zum letzten Mal Rob Newman gesehen hatte.
    „Rob!“ rief er in die Stille. Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor. Keuchend blieb er stehen, atmete die schwere, feuchte Luft ein, ohne auch nur die geringste Erleichterung in seinen Lungen zu verspüren. Eine Luft nur für Tote, kam ihm flüchtig in den Sinn. Für sie ist sie gut genug. Er hustete, um den scheußlichen Kloß in der Kehle loszuwerden und rief ein zweites Mal den Namen seines Freundes.
    Tödliches Schweigen herrschte.
    Mühsam schlurfte er weiter, leuchtete den Boden ab. Doch Rob war und blieb verschwunden. Eine seltsame Mischung von Traurigkeit und Mitgefühl stieg in ihm auf. Vielleicht ist es auch Gleichgültigkeit, dachte er. Hier unten ist alles anders und verschoben, eine fremde Welt mit ihren eigenen Anschauungen und moralischen Gesetzen! Gut und Böse, Leben und Tod, das alles hat in der Tiefe dieses Reiches andere Bedeutungen bekommen. Die Normen haben sich verändert.
    Seine Gleichgültigkeit erschreckte ihn. Reiß dich zusammen, ermahnte er sich. Noch gehörst du zu denen da oben. Du darfst dich diesen Kreaturen nicht ausliefern. Oben mußt du kämpfen, um zu überleben, also versuche hier das gleiche zu tun! Zum Aufgeben ist immer noch Zeit.
    „Rob!“ schrie er wieder. „Kannst du mich hören?“
    Stille um ihn herum, dann plötzlich ein helles Fiepen, das nicht weit von ihm aus der Dunkelheit ertönte. Er zuckte zusammen, fuhr herumleuchtete mit der Lampe in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
    Sie standen etwas zu zehnt am Fuß der rechten Gangwand und glotzten zu ihm herüber. Als der Lichtkegel auf ihre Gesichter fiel, rissen sie die Hände nach oben, verdeckten die Öffnung ihrer Augen. Aus einem der Gänge war nun wieder das Näherkommen einer Prozession zu hören, und mit einem Mal fühlte er neue Kraft. Nein, sie sollten ihn nicht haben. Er würde kämpfen bis zum bitteren Ende. Er gehörte nach oben und nicht zu
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