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0824 - Liebestanz der Totenbräute

0824 - Liebestanz der Totenbräute

Titel: 0824 - Liebestanz der Totenbräute
Autoren: Jason Dark
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anderes überlegen und wusste auch schon, was er tun musste.
    Mit langen Schritten und so schnell wie möglich durcheilte er den Friedhof. Gulbekian nahm keine Rücksicht mehr, er wollte das Tor erreichen, um von dort seine Fäden zu ziehen. Als er hindurchgegangen war und vor dem Halbbogen stehen blieb, da ging es ihm besser. Niemand war ihm begegnet, niemand hatte versucht, ihn aufzuhalten, und so sollte es auch bleiben.
    Er wartete.
    Vor ihm lag der Dunst. Die rostigen Eisenstäbe des Tores schimmerten feucht. Er legte die rechte Hand um einen Stab und schaute durch die Öffnung gegen die Bäume.
    Dort ballte sich die Finsternis. Nichts regte sich, aber Gulbekian wusste, dass seine Bräute irgendwo in der Tiefe der Erde auf seinen Ruf warteten.
    Noch ließ er sich Zeit.
    Er starrte auf die Bäume.
    Wie stumme Wächter standen sie dort.
    Und dann fing er an.
    Er legte den Kopf zurück, riss sein Maul auf. Tief aus seiner Kehle drangen die schrecklichen Laute, die zuerst wie ein hohes Jammern klangen, dann schriller wurden und sich mit fremdartigen Untertönen mischten.
    Schreien und Jaulen gingen ineinander über. Eine akustische Schreckensbotschaft hallte über den Friedhof hinweg und drang auch in die Erde ein, um die zu erreichen, die tief in ihr ihre Ruhestätten gefunden hatten.
    Er wartete.
    Sein Gesang blieb.
    Er nahm an Lautstärke zu. Jeder sollte ihn hören. Jeder sollte wissen, dass er sein Grab verlassen hatte, und seine Bräute sollten dieses Liebeswerben erhören.
    Und sie gehorchten.
    Zwischen den Stämmen der Bäume sah er die schattenhaften Bewegungen. Das waren keine Zweige, die der Wind bewegte, sondern seine Bräute, die aus der feuchten Erde gekrochen waren.
    Sie hatten ihn gehört, seine Stimme hatte sie gelockt, und sie bewegten sich tänzelnd auf ihn zu. Wie Schleier näherten sie sich. Der Liebestanz dieser Blutsaugerinnen sah grotesk aus. Vier Frauen hatten ihre Gräber verlassen, vier alte Blutsaugerinnen, die einmal innerhalb des Seniorenheims gelebt hatten, bis sie von Gulbekian Besuch erhalten hatten. Jetzt sahen sie aus wie Nebelgeister, und sie drehten sich nach seinen Schreien und Rufen.
    Er bestimmte den Takt, bestimmte ihren Tanz, und er bestimmte auch die Geschwindigkeit.
    Vor dem Gitter bildeten sie eine Reihe. Gulbekians Stimme verlor etwas von dem schrillen Klang, veränderte sich, als er plötzlich anfing zu summen.
    Das gefiel den Blutsaugerinnen, denn sie setzten ihren Tanz langsamer, aber nicht weniger grotesk fort. Sie hielten keinen Takt ein, jede tanzte so, wie sie es für richtig hielt. Die beiden äußeren bogen ihre Körper nach vorn, als wollten sie sich vor ihrem Meister verbeugen, blieben aber nie lange in dieser Haltung, sondern richteten sich immer wieder schnell auf. Ihre Bewegungen waren dabei zackig, sie schüttelten sich, sie wiegten ihre Körper, die ausgemergelt aussahen und mit dem Schmutz der Gräber bedeckt waren.
    Ihre Gesichter glichen bleichen Fratzen. In den Hautfalten hatte die Erde ihre Spuren hinterlassen, und aus diesem grauen Schmutz stachen die bleichen Totenaugen wie kühle Laternen hervor.
    Gulbekian hob beide Arme.
    Er wartete noch einen Moment, als wollte er sich das Bild genau anschauen, dann sanken die Arme herab, und genau diese Bewegung war für seine Bräute das Zeichen.
    Sie standen still.
    Er trat vor. Seine Bewegungen wirkten staksig, leicht unsicher, aber die Bräute gingen ihm entgegen, und so trafen sie sich fast unter dem Torbogen.
    Sie starrten sich an.
    Leere Augen, offene Münder.
    Die schmutzigen Finger der Bräute liebkosten ihn. Sie strichen über seinen Hals, das Gesicht, und Gulbekian breitete seine Arme aus, um seine Dienerinnen fest an sich zu pressen.
    Mit ihnen zusammen drehte er sich herum.
    Dem Friedhof wandten sie den Rücken zu.
    Jetzt wollten sie etwas anderes.
    Das Blut der Menschen.
    Und davon gab es viel in diesem Heim…
    ***
    Es war wieder still geworden. Noch immer lag auf unseren Körpern ein Schauer, denn wir hatten einen sehr schlimmen, furchtbaren Gesang gehört. Er war für uns kaum zu interpretieren gewesen. Für mich zumindest war es nicht der Gesang oder das Geheul eines Menschen gewesen, sondern das Schreien eines widerlichen Blutsaugers.
    Der Vampir war aus der Gruft gekrochen und hatte seine Schäfchen zusammengerufen. Seine Bräute vielleicht, zu denen auch Hetty Morland gehört hatte. Noch immer trieb der leichte Geruch nach verbranntem Fleisch und verkohlter Kleidung über diesen Teil des
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