Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0822 - Flüstern, schreien, töten

0822 - Flüstern, schreien, töten

Titel: 0822 - Flüstern, schreien, töten
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
schmiegte.
    Es war nicht so kalt, dass man sich Handschuhe anziehen musste. Dass der Mann es trotzdem getan hatte, musste einen anderen Grund haben.
    Hoffentlich keinen gefährlichen. Eddas Gedanken kreisten auf einmal um Dinge, die mit Blut und Tod zu tun hatten.
    Aber daran wollte sie nicht denken. Es würde besser sein, wenn sie es sich bequem machte, die Beine ausstreckte und versuchte, noch ein wenig zu schlafen. Diese relativ langsame Fahrerei durch die Schwärze der Nacht hatte sie müde gemacht. Vielleicht lag es auch am Bier oder am Essen.
    Die Augen fielen ihr irgendwann zu. Der Wagen verwandelte sich in eine Sänfte, deren Schaukeln sie regelrecht genoss. Sämtliche Unbillen dieser Welt versanken hinter dem erholsamen Schleier aus Schlaf…
    … aus dem sie plötzlich hervorgerissen wurde!
    Auf einmal war sie wach.
    Sie schlug die Augen auf, schaute sich um und begriff zuerst nicht, wo sie sich befand.
    Jedenfalls fuhren sie nicht mehr. Der Wagen stand. Und es war auch so verdammt dunkel. Kein Scheinwerfer schleuderte mehr sein Licht in den Regen.
    Sie gähnte. Trotz des Schlafes fühlte sie sich erschöpft. Er hatte ihr keine Erholung gebracht, und in ihrem Kopf breitete sich ein dumpfes Gefühl aus.
    Mit einer müden Bewegung strich sie über ihr Gesicht, knetete die Haut, als wollte sie sich so aufwecken, und sie merkte schließlich, dass sich der Kreislauf wieder stabilisierte.
    Auch die Erinnerung kehrte allmählich zurück.
    Rechts neben ihr saß Roy.
    Er sagte nichts. Er hatte sich losgeschnallt, den Kopf gedreht und schaute sie nur ein. Seine Hände mit den Handschuhen flößten ihr plötzlich Furcht ein, und als er seine Finger bewegte, da sah es aus, als würden dicke Würmer nach vorn gedrückt.
    Edda zwinkerte, hob die Schultern, merkte, dass sie fröstelte und ihre Lippen trocken waren. »Wir sind doch noch nicht in London – oder?«
    »Nein.«
    »Wo dann?«
    »Irgendwo in der Nähe.«
    Mit dieser Antwort gab sie sich nicht zufrieden. »Und warum fahren wir dann nicht weiter?«
    »Ich will es so.«
    Edda versuchte ein Lächeln, obwohl ihr danach nicht zu Mute war. Es wurde deshalb mehr ein verzerrtes Grinsen, aber sie wollte die Situation entspannen. »Du bist sicherlich auch müde, nicht wahr?«
    Er hob nur die Schultern.
    Die Geste hatte Edda verlegen gemacht, sie wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollte. Sie schaute nach draußen und stellte fest, dass es nicht mehr regnet. Zumindest fielen keine Tropfen mehr gegen die Scheibe, die so undurchsichtig aussah, als würde sie aus einem dichten Nebel bestehen.
    Dieser Stopp mitten im Nirgendwo gefiel ihr überhaupt nicht. Etwas nagte an ihrem Körper. Es war nicht zu sehen, nur zu fühlen, aber es verdichtete sich, und es hatte mit Ray zu tun.
    Er bewegte sich. Das Leder seiner Jacke knarrte dabei. Und mit ihm bewegte sich ein Gegenstand, der Edda erst jetzt auffiel. Er hing vor seiner Brust und wurde von einer dünnen Kette gehalten. Es war ein Amulett, ein silberner Kreis mit einem eingravierten Totenschädel.
    Er glotzte den Betrachter an, als wären seine Augen mit einem höllischen Leben gefüllt.
    Bisher hatte sie diesen Talisman an Ray noch nicht gesehen, und sie schauderte zusammen, nachdem sie ihn nun richtig in Augenschein genommen hatte.
    »Was ist das?« fragte sie.
    »Mein Beschützer.«
    »Wie bitte?«
    »Der Beschützer des Engels…«
    Wieder einmal war dieser Begriff gefallen. Diesmal brachte Edda ihn nicht mit einem Synonym für Rauschgift in Zusammenhang. Sie fürchtete sich davor, und ihr lief ein kalter Schauer über die Arme. Ob sich dieser Ray tatsächlich für einen Engel hielt?
    Das konnte sie verstehen, wenn es von einer Frau kam. Manche Frauen wurden als Engel bezeichnet, unter anderem Mutter Theresa. Aber ein Mann, der sich für ein Engel hielt?
    Das wollte ihr nicht in den Kopf. So etwas konnte eigentlich nur ein Verrückter sein. Einer, der nicht alle Tassen im Schrank hatte. Die Befürchtung, einem derartigen Typen in die Falle gelaufen zu sein, stieg so heiß wie siedendes Öl in ihr hoch und sorgte dafür, dass ihr übel wurde.
    Du musst dich zusammenreißen!, hämmerte sie sich ein. Du darfst auf keinen Fall die Nerven verlieren! Wenn er merkt, dass du etwas ahnst, wird er möglicherweise durchdrehen.
    Edda wusste nicht, wohin sie schauen sollte. Mal sah sie auf den Totenkopf, mal in das Gesicht des Fahrers. Obgleich sich beide unterschieden, hatte sie den Eindruck, dass sie sich doch irgendwie glichen, und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher