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082 - Die Geisterkadetten

082 - Die Geisterkadetten

Titel: 082 - Die Geisterkadetten
Autoren: Bruce Coffin
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bitte Sie«, sagte Mrs. Morell. »Es sind alles Zeitungsleute hier, und keinen von denen sehen wir lieber hier bei uns als Sie. Vor allem Barbara, natürlich«, fügte sie lächelnd hinzu. Das stimmte aufs Haar. Trotzdem fuhr Barbara errötend dazwischen.
    »Rede keinen Unsinn, Ma.«
    »Es dauert noch ein wenig mit dem Essen. Nehmen Sie erst mal ein bißchen Kaviar, dann verhungern Sie mir wenigstens nicht«, Mrs. Morell zog Frank zu einer Anrichte.
    Sie machte sich persönlich daran, ihm mit Hilfe eines zierlichen Silberbestecks ein Häufchen schwarzer Perlen, gehackter Zwiebeln, zerriebenen Eigelbs und saurer Sahne auf ein winziges Toastscheibchen zu häufen.
    »Bitte«, sagte Mrs. Morell lächelnd, als sie ihm das beladene Scheibchen überreichte. »Aber jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muß mich ums Essen kümmern.«
    »Danke«, rief Frank der fülligen Gestalt nach, die sich schon durch die Horde wühlte.
    Frank Connors mochte keinen Kaviar, aber das hatte er Mrs. Morell nicht sagen können, und während er vorsichtig seinen Weg um die Menschengruppen bahnte, hielt er verstohlen Ausschau, ob er ihn nicht irgendwo unbeobachtet loswerden könne.
    Barbara konnte er im Augenblick nicht entdecken, und als er in einen Nebenraum trat merkte er, daß die klebrige Masse von der Toastscheibe hinunter auf seine Finger zu rutschen begann.
    Frank beschloß, sich in Barbaras Badezimmer zu verdrücken und den Kaviar wegzuspülen.
    Die Wohnung der Morells war so groß und so kompliziert, daß er es sich angewöhnt hatte, sich eine Anzahl von Türen und Flurmöbeln zu merken, die ihm auf dem Rückweg als Wegweiser dienten. In der ersten Sekunde nach dem Öffnen der Tür dachte Frank Connors, er habe sich geirrt und wäre statt in Barbaras Badezimmer in einem der für die Gäste bestimmten Waschräume gelandet.
    Ein Mann stand vor dem schwarzen Marmorbecken. Frank sah sein schneeweißes Gesicht, seine glasigen Äugen und sein wirr in die Stirn fallendes dunkles Haar im Spiegel. In seiner Hand hielt er ein Messer. Frank Connors sah wie sich das Licht auf der blitzenden Schneide spiegelte, als die Hand in die Höhe fuhr.
    Bevor der Stahl die Kehle des Mannes erreichte, schoß Frank wie eine Rakete auf ihn zu und schlug ihm mit seiner toastscheibengefüllten Hand auf den Unterarm. Das Messer fiel klirrend neben dem Kaviarschnittchen in das schwarze Marmorbecken.
    »Was soll der Unsinn?« schimpfte Frank wütend, während er den in seinen Knien schwankenden Mann an den Schultern festhielt. Erst jetzt sah er, daß der Mann ihm kein völlig Fremder war. Es war Pierre Fresnac, der für einen französischen Zeitungskonzern arbeitete.
    »Sagen Sie, was zum Teufel hat das zu bedeuten, Pierre?« knurrte er.
    »Lassen Sie mich. Ich muß es tun«, flüsterte der Franzose kaum hörbar.
    »Gar nichts müssen Sie.« Frank schüttelte ihn heftig an den Schultern. »Das wäre die größte, aber auch die letzte Dummheit die Sie begehen könnten«, sagte er eindringlich.
    Plötzlich ging ein Ruck durch den Körper Pierre Fresnacs. Es war, als zerbräche eine dünne Eiskruste. Seine Augen waren auf einmal klar und sein bleiches Gesicht bekam etwas Farbe.
    »Es muß Ihnen vielleicht lächerlich erscheinen«, stammelte er, wobei er sich mit der Hand nervös über die Augen fuhr, »aber da ist so eine… so eine fürchterliche Stimme.«
    »Wo ist eine Stimme?« fragte Frank Connors verblüfft.
    »Hier, in meinem Kopf«, stöhnte der Franzose, sich mit der geballten Faust an die Stirn schlagend.
    ***
    Das Rätsel, das den Leuten des Dorfes schon so viel Kopfzerbrechen bereitet hatte, schien sich an diesem Tag zu lösen. Es war also doch Georges, der irrsinnige Sohn von Jules Fresnac gewesen.
    Der Abend breitete schon seine blassen Schleier über das Tal, als der Bauernwagen, auf dem die billige dunkle Totenkiste stand, über das Pflaster der Dorfstraße holperte. Marcels Vater lenkte die Pferde, und der Dorfgendarm mit noch zwei Männern schritt neben dem Wagen. Ihre Gesichter waren düster und ihre Gemüter bedrückt.
    Unsichtbar und auf leisen Sohlen tappte der Fluch der alten Zigeunerin wie eine schwarze Katze hinter ihnen her, ohne ein einziges Mal zu zögern Er maß seine Schritte genau nach denen der Pferde, hielt inne, wenn sie innehielten, und tappte weiter wenn sie den Wagen wieder anzogen.
    Männer, Frauen und Kinder standen am Straßenrand oder lagen, die Ellbogen aufgestützt, in den Fenstern. Sie verharrten in gepreßtem Schweigen. Nur das
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