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0818 - Sarkanas Erbe

0818 - Sarkanas Erbe

Titel: 0818 - Sarkanas Erbe
Autoren: Volker Krämer
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aus der Klinik entlassen. Er wurde verrückt, wenn man ihn zur Tatenlosigkeit zwang. Das war nicht seine Art zu leben.
    Selbst der Versuch, sich kopfüber wieder in seine Arbeit bei Tendyke Industries zu stürzen, war kläglich gescheitert. Er beging Flüchtigkeitsfehler, war unkonzentriert. Termine vergaß er ganz einfach. Und in seiner Freizeit saß er stundenlang am Tisch seines Apartments und starrte Löcher in die Zimmerwand. Er hatte Khiras-Tod nicht verhindern können - ihn traf daran keine Schuld. Artimus wusste das, doch dieses Wissen änderte nichts daran, dass er sich für den Tod der Kleinwüchsigen verantwortlich fühlte. So zu denken war unlogisch, ja, aber… es war eben so.
    Robert Tendyke hatte seinen besten Mitarbeiter in sein Büro bestellt und ihm eine Mappe über den Schreibtisch geschoben.
    »Lesen Sie sich das durch. Tendyke Industries arbeitet seit Jahren mit den Regierungen der nordafrikanischen Staaten zusammen.« Tendyke rümpfte leicht indigniert die Nase. »Zumindest nennen wir es Zusammenarbeit. Es ist nicht immer so ganz einfach, sich mit den Herrschaften zusammenzuraufen. Wir betreiben dort intensive Klimaforschung mit dem Ziel, die dortigen Wüstengebiete wieder bewohnbar zu machen - langfristiges Projekt, aber durchaus sinnvoll und gewiss auch gewinnbringend.«
    Van Zant hatte sich das alles schweigend angehört. Er wusste, dass Tendyke bald auf den Punkt kommen musste. Und der ließ ihn auch nicht länger warten.
    »Artimus, wenn ich Sie in einen ausgiebigen Urlaub schicke, werden Sie sich mit Händen und Füßen dagegen wehren. Also gebe ich Ihnen nun den Auftrag, sich in Algier für mich umzusehen. Irgendwie scheinen die Bemühungen von Tendyke Industries gerade dort immer wieder zu hakeln. Aber ich will Ihnen auch unverhohlen sagen, dass ich Sie hier die nächsten Wochen einfach nicht sehen will. Wenn Sie jetzt nicht schnell den Kopf wieder frei bekommen, dann sehe ich ziemlich schwarz für Sie, mein Freund. Ich will Sie nicht verlieren!«
    Tendyke senkte den Kopf und wühlte in einem Papierstapel auf seinem Schreibtisch.
    Als Artimus nicht antwortete, schaute Tendyke noch einmal auf. »Das war’s, Sie können gehen. Oder gibt es Grund für eine Diskussion?«
    Die hatte es nicht gegeben, denn selbst der Dickkopf eines Artimus van Zant musste zugeben, dass Tendyke Recht hatte.
    Und zwar in jeder Hinsicht, denn es hakte tatsächlich mächtig bei der Arbeit der Dependance von Tendyke Industries in Algerien. Artimus war nun sicher kein Diplomat, aber in den vergangenen Wochen hatte er es geschafft, einige Ungereimtheiten und Missverständnisse mit den staatlichen Behörden aus dem Weg zu räumen. Tendyke hatte ihm per E-Mail zu verstehen gegeben, dass er van Zant noch mindestens für drei Wochen hier vor Ort belassen wollte. Die Zeit sollte ausreichen, um das Klimaprojekt endgültig in die richtige Bahn zu lenken.
    Heute jedoch hatte Artimus sich selbst einen freien Tag verordnet.
    Mit dem Ergebnis, dass er sich nun vollkommen in diesem Labyrinth verfranst hatte.
    »Suchst du Rausch, Mister?«
    Van Zant drehte sich um. Die Stimme war direkt hinter ihm erklungen, doch nun konnte er dort niemanden sehen.
    »Ich bin hier, Mister… hier unten!«
    Artimus musste sich beherrschen, um nicht aufzustöhnen, denn was er dort sah, machte ihn mehr als betroffen. Der junge Bursche mochte vielleicht elf oder zwölf Jahre alt sein - und ihm fehlten beide Beine! Mit seinem Rumpf hockte er auf einem Rollbrett, das aus rohen Brettern zusammengezimmert war. Eisenrollen machten es zu einer Art Skateboard, auf dem sich der Junge fortbewegen musste.
    Er war nicht der erste Behinderte, den Artimus in der Kasba zu Gesicht bekam. Überall saßen Bettler, von denen viele ein körperliches Gebrechen zur Schau stellten. Artimus war weit davon entfernt, das zu verurteilen - jeder musste schließlich sehen, wo er blieb. War es da nicht vollkommen legitim, wenn man versuchte, aus einem Handicap einen Vorteil zu ziehen?
    Van Zant grinste den Jungen an, der ihm offensichtlich irgendwelche Drogen andrehen wollte.
    »Rausch? Nein, mit solchen Dingen habe ich nichts am Hut. Aber sag mal -du kennst hier doch sicher einen Laden, in dem ich etwas essen kann, oder?« Als der Bursche heftig nickte, hob van Zant den Zeigefinger. »Aber ich erzähle dir etwas: Wenn ich essen sage, dann meine ich viel und gut Und vor allem Fleisch. Ich könnte glatt einen ganzen Löwen verputzen!«
    Der Kleine grinste zu Artimus auf.
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