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0818 - Sarkanas Erbe

0818 - Sarkanas Erbe

Titel: 0818 - Sarkanas Erbe
Autoren: Volker Krämer
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Umgeben von unzähligen Büchern hauste er in einer winzigen Hütte, lebte von dem, was seine Nachbarn ihm zusteckten, wenn er ihren Kindern Geschichten erzählte oder ihnen die Grundbegriffe des Lesens und Schreibens beibrachte. Yehab war damals sein gelehrigster Schüler gewesen.
    Die Mythen Afrikas hatten ihn fasziniert, doch sein alter Lehrer hatte ihm immer wieder einen Lehrsatz eingebläut. »Nimm von all dem den falschen Glanz, dann öffne den Mantel, der diese Geschichten einhüllt - und du wirst zu ihren wahren Kern vorstoßen. Wie bei einer Zwiebel, deren Schichten du nach und nach entfernst.«
    Und genau das hatte Yehab mit dem Mythos der Asanbosam getan. Als er die allerletzte Schicht dieser Zwiebel entfernt hatte, lag ein klares Bild vor ihm. Die Asanbosam waren ein in den Wäldern lebender Stamm gewesen. Eisenzähne hatten sie sicher nicht gehabt, doch sie waren ganz eindeutig Blutsauger -Vampire!
    Da sie zurückgezogen lebten, wusste man nie genau, wie viele es von ihnen überhaupt gab. Doch irgendwann verschwanden sie. Einfach so, als hätte es sie nie gegeben. Es gab die wildesten Gerüchte über ihr Verschwinden, doch eines wiederholte sich immer wieder: Ein fremder Dämon hatte sie vernichtet. Den gesamten Stamm, bis auf drei von ihnen. Diese drei hatte er gebannt und in alle Welt zerstreut.
    Manche sagten, er hätte sie in Bäume verwandelt, andere behaupteten, aus ihnen wären drei blutrote Rubine geworden. Yehab hatte das Geheimnis schließlich enthüllt.
    Mit zittrigen Fingern holte er aus dem Safe die beiden Schatullen und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. Yehab öffnete die erste und entnahm ihr mit spitzen Fingern die kleine Figur - geschnitzt aus tief schwarzem Holz, war sie gerade einmal sechseinhalb Zentimeter hoch.
    Sie stellte einen stilisierten Kopf dar, schmal und lang gezogen, wie es in der afrikanischen Kunst typisch war. Die Augen waren nur angedeutete Schlitze. Eine breite Nase, hohe Wangenknochen und ein voller Mund, die Ohren ungewöhnlich weit hinten am Kopf angesiedelt, ließen das Ganze ein wenig naiv erscheinen. Der dünne Hals ging in einen runden Standfuß über.
    Kein hochwertiges Kunstwerk, bei weitem nicht. Als Yehab die Figur zum ersten Mal in den Händen gehalten hatte, war ihm gleich in den Sinn gekommen, dass sie zu einem Schachspiel gehören konnte. Vielleicht ein Bauer? Oder ein Läufer? Er hatte sie mehr aus Spaß gekauft und nach dem Rest des Spiels zu forschen begonnen. Vergeblich. Niemand wusste von einem Schachspiel, dass solche Figuren hatte.
    Irgendwann hatte der Alte damit begonnen, seine Schätze zu katalogisieren. Mit einer hochwertigen Kamera machte er Fotos von all den Dingen, die er mehr oder weniger ehrlich erstanden hatte. Bei der kleinen Holzfigur zoomte-Yehab besonders nahe heran -und stutzte. Unter einer Lupe betrachtet bestätigte sich sein Verdacht damals schnell: Aus dem vollen Mund ragten zwei winzige Schneidezähne hervor, die er zuvor übersehen hatte. Die Figur stellte eindeutig einen Vampir dar - einen Asanbosam?
    Yehabs Interesse war nun endgültig geweckt. Es ließ all seine Beziehungen in und außerhalb der Kasba spielen, denn wenn sein Verdacht richtig war, dann musste es zwei weitere dieser Figuren geben. Es vergingen drei Jahre, dann hielt er den zweiten hölzernen Vampirkopf in Händen. Er hatte ihn ein kleines Vermögen gekostet, doch das war die Sache wert.
    Yehab war nun sicher, dem Geheimnis der Asanbosam ganz dicht auf der Spur zu sein.
    Die zweite Figur war mit der ersten nahezu identisch. Es gab nur einen Unterschied - sie war aus einem sehr leichten hellen Holz gefertigt. Irgendetwas sagte Yehab, dass sie einen männlichen Vampir zeigte, während die erste, die schwarze Figur einen leicht weiblichen Touch hatte.
    Doch wo war die fehlende dritte Figur?
    Yehab schüttelte die Gedanken an die Vergangenheit ab. Aus der Innentasche seiner Jacke beförderte er das kleine Bündel hervor, das dem zu vorschnell handelnden Mann in der letzten Nacht das Leben gekostet hatte. Er hätte nachdenken sollen, ehe er so unüberlegt zu Yehab gekommen war. Es gab Fehler, die man nur einmal beging…
    Im Lichtkegel der Tischlampe wirkten die zwei Holzfiguren wie Artisten, die auf ihren Partner warteten, damit ihr Auftritt endlich beginnen konnte. Yehab wickelte die dritte Holzbüste aus und stellte sie zu den anderen.
    Die drei Asanbosam - endlich waren sie wieder komplett. Und sie gehörten ihm - ihm ganz allein!
    Fasziniert starrte
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