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0814 - Der geheimnisvolle Engel

0814 - Der geheimnisvolle Engel

Titel: 0814 - Der geheimnisvolle Engel
Autoren: Christian Schwarz
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Benutzer musste dazu eine klare, bildhafte Vorstellung von dem haben, was er bewirken wollte. Das war nicht immer ganz einfach.
    »Nein, ich mache das«, wehrte der Mönch ab, noch bevor sich Nicole auf den Sternenstein konzentrieren konnte. »Zamorra, leg dein Amulett frei!« Unwillkürlich war er zum »Du« übergegangen.
    Der Meister des Übersinnlichen zögerte nur einen winzigen Sekundenbruchteil. Hätte Nicole den Dhyarra eingesetzt, hätte er das Amulett unter dem Hemd belassen. Denn beide Magien vertrugen sich nicht besonders.
    »Also gut«, erwiderte er und zog Merlins Stern kommentarlos hervor. Normalerweise hätte er sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen. Aber er spürte instinktiv, dass der Zisterzienser vor ihm kompetent war und genau wusste, was er wollte.
    Bruder Claudius nahm den Spiegel des Eskil in die Hand und hielt ihn ins orangefarbene Wasser, dessen Leuchten immer geheimnisvoller wurde, weil es anfing, sich schlierenhaft ineinander zu verdrehen. Dabei murmelte der Mönch magische Formeln, die Zamorra völlig unbekannt waren. Zu seinem Erstaunen waren sie aber nicht weißmagisch, das hätte er ganz genau feststellen können. Schwarzmagisch aber auch nicht. Bruder Claudius benutzte Graue Magie, die im Spektrum irgendwo dazwischen lag und in vielerlei Abstufungen existierte. Und wenn Zamorra nicht alles täuschte, dann lag Bruder Claudius’ Graue Magie eher näher bei der Schwarzen als bei der Weißen. Das war zumindest ungewöhnlich.
    Weitere Gedanken in diese Richtung konnte sich Zamorra nicht machen. Er sah fasziniert zu, wie der Spiegel des Eskil arbeitete. Wie angeknipst war da ein fingerdicker, silberner Strahl, der Spiegelfläche und Weltentor miteinander verband. Der Spiegel hatte ihn so schnell »produziert«, dass es weder Zamorra noch Nicole mitbekamen.
    Was Zamorra hingegen umso deutlicher mitbekam, war die Tatsache, dass sich Merlins Stern plötzlich völlig selbstständig aktivierte. Das Amulett schloss sich mit dem Spiegel kurz und versorgte ihn mit zusätzlichen Energien. Der Professor konnte die unsichtbare energetische Brücke förmlich spüren.
    Einen Moment lang geschah nichts weiter. Es kam Zamorra wie das Luftholen vor dem Sturm vor. Er täuschte sich nicht.
    Urplötzlich leuchtete der silberne Strahl aus dem Spiegel grell auf und fing an zu pulsieren. Die Farbe war jetzt genau die der Blitze, die Merlins Stern verschoss, wenn er angriff, wie der Meister des Übersinnlichen fasziniert feststellte.
    Im Zentrum des Weltentors materialisierten langsam drei verschwommene Gesichter. Sie überlagerten sich, blieben aber undeutlich. Immerhin konnten die drei Menschen im Boot erkennen, dass es sich um ähnlich grässliche Fratzen handelte wie die aus Flammen bestehende, die sie bereits kannten.
    »Svantevit!«, schrie Zamorra. »Er versucht den Übergang! Verdammt, richte den Strahl auf die Taucherin, Claudius! Sie darf den Dämon nicht erreichen!«
    Er war sich durchaus bewusst, dass sie damit unter Umständen das Leben der Prostituierten Marion von Altmühl opferten. Aber wenn sie es nicht taten, leisteten sie damit einer unvorstellbaren Katastrophe Vorschub, die Millionen Menschen das Leben kosten konnte. So schwer es Zamorra fiel, ein Menschenleben opfern zu müssen, er durfte trotzdem nicht zögern. Dieser entsetzliche Fluch, manchmal bewusst das Leben Anderer, oft Unschuldiger in Kauf nehmen zu müssen, war die dunkle Seite, die der Gang an die Quelle des Lebens und die daraus resultierende Unsterblichkeit mit sich gebracht hatte. Denn um das Böse abwehren zu können, musste auch ein Unsterblicher, der für die Seite des Lichts kämpfte, bereit sein, ein einzelnes Menschenleben zu opfern, um dadurch viele andere zu retten. Gottseidank waren Zamorra und Nicole noch nicht oft vor diese Entscheidung gestellt worden. Jetzt war es aber mal wieder so weit.
    Bruder Claudius war wie in Trance. Er musste den Angriff des Spiegels durch Aufsagen verschiedener Zauberformeln aufrecht erhalten. Zamorra war schon versucht, Claudius’ Handgelenk zu fassen und mitsamt dem Spiegel ins Ziel zu drehen, als die schöne Unterwasserwelt einen winzigen Moment lang förmlich einfror. Das musste der Moment sein, in dem die Taucherin die kritische Distanz überschritt und sich das vierte Gesicht Svantevits nach so langer Zeit wieder mit den drei anderen vereinigen konnte.
    »Verdammt, verdammt«, knirschte Zamorra. Wenn Bruder Claudius richtig lag, war Svantevit jetzt wieder so stark, dass er
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