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0807 - Das Gespenst von Angus Castle

0807 - Das Gespenst von Angus Castle

Titel: 0807 - Das Gespenst von Angus Castle
Autoren: Jason Dark
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Totenkiste an und hinterließ auf dem rauen Material ein schwaches Glimmen.
    Als ich neben dem Sarg stehen blieb und ihn mir genauer anschaute, da sah ich, daß der Deckel nicht ganz geschlossen war. Es gab an der linken Seite noch einen schmalen Spalt, durch den die muffige Luft in das Innere dringen konnte.
    War das Zufall, hatte es etwas zu bedeuten?
    Ich leuchtete die Stelle ab. Natürlich sickerte Licht hinein, doch die Lücke war einfach zu schmal, um erkennen zu können, ob jemand in dieser steinernen Totenkiste lag oder nicht.
    Ich wollte es aber wissen.
    Um den Deckel zur Seite schieben zu können, brauchte ich beide Hände. Deshalb klemmte ich die Leuchte an meinem Gürtel fest und ließ mich auch nicht davon stören, daß der Strahl in eine andere Richtung stach. Er tanzte als Kreis auf einer Wand. Es herrschte jedoch noch genügend Helligkeit, die eine Orientierung erlaubte.
    Mit beiden Händen faßte ich den steinernen Deckel an zwei verschiedenen Seiten an. Ich setzte meine Kräfte ein, und ein hässliches Kratzen erklang, als sich der Deckel zum erstenmal auf dem Unterteil bewegte. So wurde eine größere Lücke geschaffen. Zwei Anstrengungen später polierte der Sargdeckel zu Boden.
    Der Aufprall klang dumpf und hell zugleich, und das Echo klirrte in meinem Kopf nach. Der Deckel hatte den Aufprall nicht unbeschadet überstanden. Er hatte Risse davongetragen, und an einer Seite waren zwei Brocken abgesprengt worden.
    Der Sarg lag jedenfalls offen vor mir.
    Ich keuchte, als ich mich aufrichtete, die Lampe wieder aus dem Gürtel zog und in das Unterteil hineinleuchtete.
    Ein Mann lag im Sarg.
    Ich kannte ihn.
    Es war mein Vater!
    Schreie tobten durch meinen Kopf, als wollten sie ihn sprengen. Es war einfach die Wirkung der plötzlichen Entdeckung und des Schocks, die in mir diese Phantasien auslöste, und für eine Weile kam ich mir vor, als wäre ich aus der normalen Welt herausgerissen und in ein Dunkel hineingestopft worden.
    Es war einfach grauenhaft, es war so irreal, ich konnte mich daran nicht gewöhnen. Der erste imaginäre Schrei in meinem Kopf war abgeebt. Ein zweiter folgte, der sehr konkret durch mein Gehirn brandete. ER IST TOT!
    Mehrmals wiederholte sich der Satz. Aber ich wollte nicht, daß mein Vater tot war. Beim ersten Hinsehen hatte ich keine Wunde oder Verletzung entdeckt. Dennoch fiel es mir schwer, mich von diesem schrecklichen Gedanken zu befreien. Ich hatte hier die Übersicht verloren, eine völlig natürliche Reaktion, denn wer handelt schon klar und nüchtern, wenn er vor der Leiche seines eigenen Vaters steht. Leiche?
    Das hatte ich noch nicht herausgefunden. Der Vergleich damit versetzte mir einen Stich und gleichzeitig einen Kick. Da jagten die Adrenalinstöße durch meinen Körper und richteten mich seelisch ein wenig auf, und ich riß mich zusammen.
    Sei vernünftig, sei ruhig. Schau erst nach, ob du dich nicht geirrt hast.
    Es war schwer, den Atem unter Kontrolle zu kriegen. Mein Herz klopfte überaus schnell, in meinem Kopf brauste ein Orkan.
    Ich beugte mich tiefer und leuchtete in das Gesicht meines Vaters, der auf mich den Eindruck einer Skulptur machte, die jemand in den steinernen Sarg hineingelegt hatte.
    Ich sah sein Gesicht. Marmorn und gleichzeitig wächsern kam mir die Haut vor. Sie war so verdammt dünn, als wollte sie jeden Augenblick zerreißen.
    Die Augen standen offen, der Mund ebenfalls, seine Arme lagen rechts und links des Körpers. Mein Vater war normal angezogen, er trug kein weißes Leichenhemd, und sein graues Haar wirkte so, als wäre es noch vor kurzem gekämmt worden.
    Atmete er – atmete er nicht?
    Ich wollte es genauer wissen und beugte mich noch tiefer zu ihm hinab.
    Nein? Doch, er atmete, wenn auch nur schwach, als wäre dieses Leben eine kleine Kerzenflamme, die dem Wind ausgesetzt worden war und nur mehr flackerte.
    Mir fiel ein Stein vom Herzen. Als ich die Nässe an den Wangen spürte, da wußte ich, daß es Tränen waren. Ich strich zum erstenmal mit den Händen über die Wangen meines Vaters und spürte, daß sie sehr kalt waren. Der nächste Griff galt seinem linken Handgelenk.
    Der Puls war unregelmäßig, aber er war zu spüren, und das wiederum gab mir Hoffnung.
    Wer hatte ihn in den Sarg gelegt? Was wurde hier gespielt? Was, zum Teufel, war nach seinem Anruf bei mir geschehen? Ein großes Rätsel, mit dem ich noch nicht zurechtkam, und ich hoffte stark, daß mir mein Vater die richtigen Antworten würde geben können.
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