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Titel: 08
Autoren: Man stirbt nur zweimal
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einer fast leeren Flasche Salatdressing, einem in Zellophan eingeschlagenen Stück Parmesan, das so hart war, dass man jemanden damit erschlagen konnte, einem ungeöf neten Glas Lemon Curd (was immer das war), zwei Dosen Diätcola (Jessica war süchtig danach. Warum tranken gerade die Untergewichtigen Diätlimonade? Und bin ich der Einzige, dem auffäl t, dass jemand, der sieben Dosen täglich davon trinkt, Krebs bekommen hat?) und irgendetwas Fauligem auf einem Pappteller mit Alufolie, das ich nicht genauer untersuchen wollte (ich wusste nicht einmal, dass wir Pappteller besaßen) und deshalb besser die Finger davon lief.
    Das hatte man davon, wenn man mit Vampiren und einer Frau, die nichts anderes als Salat und Diätcola zu sich nahm, zusammenwohnte. Anders als der Gemeinschaftskühlschrank war der Gefrierschrank gut gefüllt, doch nur mit Wodkaflaschen einer Marke, von der ich noch nie gehört hatte - Zyr — in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Die Flaschen standen ordentlich in Reih und Glied wie beschlagene Glassoldaten in Habtachtstellung.
    Da mir dieser Inhalt unseres Gefrierschranks nicht neu war, wusste ich, was in den hinteren Reihen zu finden war: Limette, Wacholder, Pfefferkorn, Espresso, Fenchel, Minze, Knoblauch, Kirsche, sonnengetrocknete Tomate, Senfkörner, Apfel und Meerrettich.
    Ehrlich, ich denke mir das nicht aus oder übertreibe um des humoristischen Effekts willen. In diesem schrägen Haushalt der Untoten war Tina überall und nirgends.
    Normalerweise gelang es ihr, unbemerkt zu bleiben ... nur nicht in unserem 28

    Gefrierschrank. Wodka war ihre Schwäche, je unbekannter der Geschmack, desto dringender musste sie ihn probieren. Sie trank ihn pur und schnell hintereinander aus antiken Schnapsgläsern, die immer gekühlt bereitstanden.
    Einmal hatte Tina angeboten, mir einen Drink zu mixen. Ich hatte angenommen. Es sollte das erste und einzige Mal bleiben.
    Ich hatte keine Zeit, um auf dem Weg zur Arbeit einkaufen zu fahren, und nach meiner Schicht würde ich zu müde sein. Also würde ich wohl wieder eine Pizza bestellen müssen. Der Lieferservice war auf meiner Kurzwahlliste gespeichert.
    Seufzend schloss ich die Kühlschranktür, und sofort waren meine Sinne in Alarmbereitschaft, weil plötzlich jemand hinter mir stand, den ich vorher weder gerochen noch gehört oder gesehen hatte, der aber von einer Sekunde auf die nächste einfach da war. Meine Adrenalindrüse schüttete vier Liter F.O.F. aus (was meine Assistenzärzte Fight-or-Flight-Safi nennen), und kurzzeitig dachte ich, mein Herz würde vor Schreck stehen bleiben.
    Sie begrüßte mich mit „Ich habe keinen Zimtwodka mehr", packte meine Schulter und verhinderte so, dass ich mir den Kopf an dem Metal grif stieß, als ich so heftig zurückzuckte, dass man mich für einen Epileptiker hätte halten können.
    „Tina", stöhnte ich und wand meine Schulter aus ihrem kalten Griff, „das ist schon das zweite Mal heute. Ich lege dir ein Glöckchen um den Hals. Oder nähe dir eins an den Kopf, ich schwöre bei ..." Nein, lieber nicht bei Gott schwören. Auf einen Vampir wirkte das G-Wort wie ein Peitschenschlag. Nicht alles, was man im Film sah, war falsch. „Ich schwöre", sagte ich deshalb nur.
    Tina sah nur mäßig bekümmert aus. Sie zeigte immer nur eine abgemilderte Version der Gefühle, zu der Menschen eigentlich fähig waren. Was mich oder sonst wen in tödliche Wut versetzen
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    würde, bewegte sie nur dazu, die Augenbraue hochzuziehen oder die Stirn zu runzeln.
    Ernst die Stirn zu runzeln, aber trotzdem.
    Diese ruhige Effizienz und tiefe, fast unerschütterliche Ruhe passten so gar nicht zu ihrem Äußeren. Tina sah aus, als gehöre sie Delta Nu an, der Schwesternschaft, die Reese Witherspoons Figur in Natürlich blond berühmt gemacht hat. (Ein toller Film. „Wer keine wunde Pohaut will, sagt: Dagegen!") Tina hatte langes honigblondes Haar, das ihr in Wellen über die Schultern fiel, und große dunkle Augen - Kulleraugen, wie sie selbst sagte. Nicht nur dass sie aussah, als wäre sie zu jung zum Wählen, sie würde sich wahrscheinlich auch ausweisen müssen, fal s sie Zigaretten kaufen wol te. Entsprechend kleidete sie sich auch mit einer schier unerschöpflichen Auswahl an karierten Miniröcken, weißen Blusen, Söckchen und allem Möglichen außer einem Rucksack voller Schulbücher. Sie sah aus wie der personifizierte Gesetzesbruch. Einer, der weit älter und cleverer war als jeder Col egestudent, der eine kleine
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