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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes
Autoren: Elizabeth George
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es nicht direkt gesagt, aber ich dachte, du hättest gemerkt, daß ich nach alldem nicht dran denke, ihn fortzuschicken.«
    »Und wenn der Schrecken von ›alldem‹, wie du es nennst, nachläßt? Wenn Leo wieder anfängt, dir zu mißfallen? Wenn er hüpft, anstatt ordentlich zu marschieren? Wenn er zu schön singt? Wenn er an seinem Geburtstag zu einem Ballettabend möchte statt zu einem Fußball- oder Cricketspiel? Was wirst du tun, wenn du wieder das Gefühl bekommst, er müßte härter rangenommen werden?«
    »Ich bete darum, daß ich dann meinen Mund halten werde. Würde dir das genügen, Fiona?«
    »Wie sollte es? Ich werde immer wissen, was du denkst.«
    »Was ich denke, ist nicht wichtig«, entgegnete Luxford. »Ich werde lernen, ihn so anzunehmen, wie er ist.« Er sah sie wieder an. Ihre Miene war unerbittlich. Es war klar, daß ihre Worte kein Bluff waren. »Ich liebe ihn«, sagte er. »Ich liebe ihn wirklich - trotz all meiner Schwächen und Fehler.«
    »So, wie er ist, oder so, wie du ihn gern hättest?«
    »Jeder Vater hat Träume.«
    »Aber die Träume des Vaters sollten für den Sohn nicht zu Alpträumen werden.«
    Sie passierten Upavon, sausten durch einen Kreisverkehr, fuhren weiter nach Süden. Im Westen flimmerten hier und dort die Lichter verschlafener Dörfer am Rand der Ebene von Salisbury. East Chisenbury, Littlecott, Longstreet, Coombe, Fittleton. Während Luxford an den Wegweisern zu diesen Dörfern vorüberfuhr, dachte er über die Worte seiner Frau nach und darüber, wie eng die eigenen Träume mit den eigenen Ängsten gekoppelt sind. Träume davon, stark zu sein, wenn du schwach bist. Träume davon, reich zu sein, wenn du arm bist. Träume davon, auf dem Gipfel eines Berges zu stehen, wenn du im Getümmel auf dem Grund des Tals gefangen bist.
    Die Träume, die er für seinen Sohn hegte, spiegelten nur seine Ängte um ihn wider. Erst wenn es ihm gelang, diese Ängste fahrenzulassen, würde er in der Lage sein, seine Träume aufzugeben.
    »Ich muß ihn verstehen«, sagte er. »Und ich werde ihn verstehen. Laß es mich versuchen. Ich werde ihn verstehen.«
    Als sie die Außenbezirke von Amesford erreichten, folgte er der Route, die ihm Nkata beschrieben hatte. Er lenkte den Wagen auf den Parkplatz und hielt ihn neben einem Streifenfahrzeug an.
    In der Dienststelle ging es so geschäftig zu, als wäre es mitten am Tag und nicht mitten in der Nacht. Uniformierte Beamte eilten durch die Korridore. Ein gedeckter Dreiteiler mit Aktenköfferchen stellte sich als Rechtsanwalt Gerald Sowforth vor und verlangte, seinen Mandanten zu sehen. In der Eingangshalle kam ihnen eine blasse Frau entgegen, die sich schwer auf den Arm eines korpulenten, fast kahlköpfigen Mannes stützte, der gerade sagte: »Jetzt bringen wir dich erst mal nach Hause, Äpfelchen« und ihr dabei die Hand tätschelte. Ein einsamer Reporter bestürmte den diensthabenden Sergeant mit zornigen Fragen.
    Über den Kopf des Reportes hinweg sagte Luxford laut:
    »Dennis Luxford. Ich bin -«
    Die Frau, die ihnen entgegenkam, begann zu wimmern und schien sich am liebsten hinter ihrem Gefährten verstecken zu wollen. »Verlaß mich nicht, Sammy«, jammerte sie. »Sag mir, daß du mich nicht verläßt.«
    »Niemals«, beteuerte Sammy mit Inbrunst. »Niemals. Du wirst es schon sehen.« Die Frau verbarg ihr Gesicht an seiner Brust, als die beiden an Luxford und Fiona vorüberkamen und in die Nacht hinausgingen.
    »Ich bin wegen meines Sohnes hier«, erklärte Luxford dem Sergeant.
    Der Mann nickte und griff zum Telefon. Er tippte drei Zahlen ein, sprach kurz, legte auf.
    Innerhalb einer Minute öffnete sich die Tür zur Eingangshalle. Jemand rief Luxfords Namen. Luxford nahm Fionas Arm, und zusammen traten sie in einen Korridor.
    »Bitte folgen Sie mir«, sagte die Beamtin, die sie abgeholt hatte. Sie führte sie zu einer Tür, die sie öffnete.
    »Wo ist Leo?« fragte Fiona.
    »Warten Sie bitte hier«, erwiderte die Beamtin.
    Fiona ging ruhelos auf und ab. Luxford wartete unbewegt. Beide horchten sie auf die Geräusche, die vom Korridor hereindrangen. In den nächsten zehn Minuten rannten draußen drei Dutzend Leute vorbei, ohne anzuhalten. Endlich hörten sie eine ruhige Männerstimme, die fragte: »Hier drinnen?«, und die Tür ging auf.
    Als Lynley die beiden sah, sagte er sofort: »Leo geht es gut. Es dauert noch einen Moment, weil er gerade vom Arzt untersucht wird.«
    »Vom Arzt?« rief Fiona. »Ist ihm -«
    Lynley nahm sie beim Arm.
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