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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum
Autoren: Timothy Stahl
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nötigenfalls anhalten, und dann auch noch lange genug, um sich an dem Seil gegen die Strömung des Flusses unter Wasser zurück in die Sicherheit dieses Tunnels zu hangeln. Das würde sie tun müssen, wenn sie nach dieser Strecke, am Ende des Seils also, nicht in einer anderen Höhle, in der es Luft gab, auftauchen konnte.
    Sämtliche Luft aus dem Rucksack gepresst, Sotos Messer im Gürtel für den Fall, dass sie das Seil kappen musste, stieg Abby ins kalte Wasser, tauchte unter und ließ sich von der Strömung mitnehmen auf eine Reise ins völlig Ungewisse.
    ***
    Schottland
    Die große Bibliothek im Erdgeschoss von Oake Dún erinnerte heute an ein leer geräumtes Lagerhaus, und Tom hatte das absurde Gefühl, etwas von dieser Leere würde sich auch in ihm auftun. So weit er wusste, hatte Pierre Leroy nach Sutherlands Tod dafür gesorgt, dass die Sammlung in gute Hände kam. Trotzdem schmerzte der Anblick.
    Nicht ein einziges Buch stand mehr in den Regalen, die in die Wandverkleidung eingelassen waren. Früher waren es tausende gewesen, geordnet nach einem System, das nur Sir Ian und Connor durchschaut hatten. Anstelle der teils unbezahlbaren Bände, darunter viele Originale, lag jetzt auch auf diesen Regalen fingerdick der Staub, und wie überall in der Burg wirbelte er auch hier wie Gold- und Silberglitter im Sonnenlicht, das durch die schmalen hohen Fenster hereinfiel.
    Maria Luisa musste niesen.
    »Gesundheit«, wünschte Tom.
    » Gracias .«
    Auch hier hing der muffige feuchte Kellergeruch, wie er sich in allen verlassenen Gemäuern einnistet, in der Luft. Nur mischte sich in diesem weiten, hohen Raum noch etwas anderes hinein, ein Überrest des Geruchs von Papier und Leder, den aber sicher nur Toms Einbildung dazu mengte.
    »Und wo ist nun deine Geheimtür? Ich sehe nichts«, sagte Maria Luisa und drehte sich in der Mitte der verwaisten Bibliothek einmal um sich selbst, genau dort, wo früher bequeme Clubsessel gestanden hatten, kleine Beistelltische daneben für das Whiskyglas und die Zigarre. Als er daran dachte, glaubte Tom, auch noch einen allerletzten Rest von Tabakgeruch wahrzunehmen.
    »Wenn man sie gleich sehen würde, wäre sie ja nicht geheim, oder?«
    Nachdem die Regale leer waren, konnte er sich bei seiner Suche nach der Geheimtür nicht an den Buchrücken orientieren, sondern musste die Fächer abzählen – und ein bisschen schätzen. Prompt vertat er sich – die erste Schirmlampe, von denen über ein Dutzend zwischen den Regalen im Mauerwerk verankert waren, ließ sich nicht wie erwartet zur Seite drehen. Das gelang ihm erst mit der zweiten. Daraufhin schwang das Regal links daneben auf wie ein massiver Türflügel, knarrend und über den steingefliesten Boden kratzend, weil das Holz verzogen und verquollen war. Das Regal klappte auch nicht ganz auf, sondern verklemmte sich im Fünfundvierzig-Grad-Winkel. Aber die Öffnung war groß genug, um hindurchzuschlüpfen.
    »Ich will nicht unhöflich erscheinen, aber ich gehe trotzdem mal voraus«, sagte Tom und schob sich zwischen Regal und Mauerwerk. Dahinter lag ein Absatz, in der Wand eine Nische mit wetterfesten Streichhölzern und Laternen, die mit Kerzen bestückt waren. Früher hatte es auch elektrisches Licht gegeben, aber der burgeigene Generator war natürlich längst nicht mehr in Betrieb. Tom würde sich später darum kümmern und nachsehen, ob er noch in Gang zu setzen war.
    Jetzt mussten sie sich mit dem Laternenlicht begnügen. Er zündete zwei an, reichte Maria Luisa eine und stieg als Erster die Treppe hinunter. In etlichen Kehren führte sie in die Tiefe. Der Keller, seinerzeit mühsam in den Fels unter der Burg hineingeschlagen, bestand aus mehreren Ebenen, die teilweise ineinander verschachtelt waren.
    Tom hoffte, dass sie nicht lange hier bleiben mussten. Aber ein paar Tage oder auch Wochen würden es schon werden.
    Als die Burg gebaut worden war – um das Jahr 1700, wenn er sich recht erinnerte –, wurde ein Teil dieser unterirdischen Räumlichkeiten als Verliese und Folterkammern genutzt. Ian Sutherland hatte dann in einigen Räumen eine – damals – hochmoderne Computeranlage und eine Funkstation eingebaut. Er hatte sogar über die Möglichkeit verfügt, Satelliten anzuzapfen.
    Ob diese Technik noch vorhanden war und funktionierte, interessierte Tom im Moment nicht. Er suchte den unterirdischen Bereich, der wohnlich eingerichtet und mit Vorräten bestückt war, von denen hoffentlich wenigstens ein Teil noch genießbar
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