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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum
Autoren: Timothy Stahl
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Abby gegrinst bei dem abwegigen Gedanken, wirklich in der Xibalbá gelandet zu sein …
    … bis sie, von den felsigen Wänden widerhallend, ein Ächzen vernahm wie das eines uralten Wesens, das aus äonenlangem Schlaf erwachte.
    ***
    An der schottischen Nordküste, Dezember 2011
    Der Wind säuselte um die Trutzmauern der verlassenen Burg. Vom Atlantik, der am Fuß der Klippe gegen die Felsen brandete, trug er Kälte und Seegeruch heran. Einzelne dicke Schneeflocken wirbelten träge durch die Luft. Eine setzte sich auf Maria Luisas Nase. Tom tupfte sie mit einem Finger weg.
    »Oake Dún?«, hatte sie gerade gefragt, und Tom nickte und sagte noch einmal: »Ja, das ist Oake Dún – einer der sichersten und geheimsten Orte der Welt. Hier finden sie uns nicht.«
    »Was macht dich da so sicher? Bis jetzt haben sie uns noch immer und überall gefunden.« Maria Luisa folgte, während sie sprach, ihrem Bruder Alejandro, der sich ein paar Schritte entfernte, an der Burgmauer entlang, mit den Fingern Sprüngen im Mauerputz folgend.
    »Sie«, das waren die Mitglieder einer geheimnisvollen Loge, die unter dem Befehl eines nicht weniger mysteriösen, völlig in Weiß gekleideten Mannes hinter ihnen her waren – beziehungsweise hinter etwas, das Tom in seinem Besitz hatte: dem »Himmelsstein«. Ein rätselhaftes, kinderfaustgroßes Artefakt, ein Objekt aus unbekanntem Material, geformt wie ein vielflächiger Kristall, das diese Loge und der »Mann in Weiß« unter keinen Umständen bekommen durften. Weil es – laut uralten Überlieferungen der Maya – so gefährlich war, dass die ganze Welt zu büßen hätte, wenn es in die falschen Hände geriet.
    »Hier nicht«, bekräftigte Tom, und er sagte es nicht nur, um Maria Luisa zu beruhigen, sondern weil er wirklich davon überzeugt war: Auf Oake Dún würde die Loge sie nicht aufstöbern.
    Oake Dún war bis vor einigen Jahren der Sitz einer Geheimorganisation gewesen, der er selbst einst angehört hatte: dem »Analytic Institute of Mysteries«, kurz A.I.M. Wirklich niemand außer den direkt Beteiligten wusste davon. Das Institut war nie ins Visier irgendwelcher Spinner, Verschwörungstheoretiker oder offizieller Geheimniskrämer geraten, hatte stets autark und unter jedem Radar operiert.
    Heute war Oake Dún erst recht von der Welt vergessen – nichts weiter als eine leer stehende, verfallende Burg, wie es sie in Schottland zu Dutzenden gab.
    Dieser letzte Gedanke versetzte Tom einen Stich. Sir Ian Sutherland hatte das Institut gegründet, er hatte dafür gelebt und es war mit ihm gestorben. Sutherland war aber auch ein Freund gewesen, und sein Tod schmerzte Tom immer noch.
    »Na schön«, meinte Maria Luisa, als sie mit Jandro an der Hand wieder neben Tom trat. »Wollen wir dann nicht reingehen? Hier draußen wird’s langsam ungemütlich, trotz meiner Kuscheljacke.«
    »Natürlich.« Sie standen vor dem Haupttor. Tom versuchte es zu öffnen. Es ging nicht. Aber er winkte ab. »Kein Problem, es gibt eine Seitenpforte. Kommt mit.«
    Er ging voraus, immer am Fuß der Mauer entlang, bis sie das Seitenportal erreichten, eine Tür aus dem Holz jener alten Eichen, denen Oake Dún seinen Namen verdankte. Die Klinke ließ sich knirschend niederdrücken, die Tür selbst rührte sich nicht.
    Tom beschloss, es am Zugang an der rückwärtigen Seite der Festung zu probieren, der in die unterirdischen Gewölbe führte. Wieder ging er voran. Der Weg dorthin würde beschwerlicher sein, der mit Schnee gepuderte Boden unebener, felsiger. Stellenweise hatten sich tückische Glatteisfallen gebildet.
    Tom war schon ein Stück gegangen, als er bemerkte, dass Alejandro sich offenbar weigerte, mitzukommen. Er hielt sich immer noch bei der verschlossenen Tür auf. »Bitte, Jandro, mach schon«, hörte er Maria Luisa auf ihren Bruder einreden, »wir müssen hinter Tom her, damit wir ins Warme kommen. Du holst dir sonst noch eine Erkältung. Dieses Wetter bist du nicht gewohnt.«
    Alejandro war … schwierig. Er war Autist und einerseits auf seine Schwester fixiert, andererseits hatte er aber auch seinen ganz eigenen Kopf, dem er stur folgte. Und wenn er manchmal nicht wollte, na ja, dann wollte er eben nicht.
    Jetzt beharrte er darauf, beim Tor zu bleiben. »Da geht’s rein, da geht’s rein«, sagte er und tastete über das rissige Eichenholz.
    »Aber die Tür ist abgeschlossen«, erklärte ihm Maria Luisa mit einer Engelsgeduld. »Wir müssen uns eine andere suchen, Jandro.«
    »Nein, ist nicht
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