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08 - Der zeitlose Raum

08 - Der zeitlose Raum

Titel: 08 - Der zeitlose Raum
Autoren: Timothy Stahl
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scherzhaft hinzu.
    Die junge Frau zuckte heftig zusammen, was unmöglich mit seiner launigen Bemerkung zusammenhängen konnte; so schreckhaft war Maria Luisa nicht. »Was ist?« Tom berührte sie an der Schulter, und sie rückte ein wenig zu ihm.
    »Da …« Sie stockte. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich hab mich wohl geirrt.«
    »Was war denn?«
    »Ich dachte … da hätte sich etwas bewegt.«
    Tom folgte ihrem Blick ins wattige Dunkel eines Korridors, der aus diesem Raum führte. Er konnte Maria Luisa ihre Nervosität nicht verübeln. So, wie es heute in Oake Dún aussah, war es leicht, Geister zu sehen – weil sie einfach ins Bild passten.
    Aber zum Glück wusste er, dass es nicht überall in der Festung so aussah.
    »Kommt«, forderte er die Geschwister auf, ihm zu folgen, und ergriff Marias Hand, »ich zeige euch die gemütlicheren Seiten von Oake Dún.«
    »Die gibt es?«, fragte Maria Luisa zweifelnd.
    Tom nickte. »Hinter der Geheimtür.«
    ***
    Yucatán
    In Abby wechselten die Emotionen wie die Bilder eines Daumenkinos. Auf Angst folgte Erleichterung, dann kam ein »Uh-das-muss-ja-wehtun«-Mitgefühl, und am Ende standen Schadenfreude und Genugtuung – und ein klitzekleines bisschen Scham über diese boshafte Häme.
    Es hatte Xavier Soto ganz schön erwischt.
    Hinter der Biegung des unterirdischen Flusses lag eine Grotte, deren Mitte ein See einnahm, der nicht nur klein, sondern auch flach war – und in den Xavier Soto aus etwa der gleichen Höhe gestürzt war wie Abby in den Fluss.
    Die Tiefe des Flusslaufs war Abbys Glück gewesen – und die Untiefe des Grottensees Soto zum Verhängnis geworden. Er hatte sich beim Aufprall beide Beine gebrochen; das war aufgrund ihrer Winkel eindeutig erkennbar.
    Offene Wunden sah Abby nicht. Verblutungsgefahr bestand also keine. Es sei denn, er hatte auch innere Verletzungen davongetragen.
    »Du bist es.« Soto klang erleichtert, als Abby durch das flache Wasser auf ihn zu watete.
    »Du freust dich, mich wiederzusehen?«, wunderte sie sich in unüberhörbar sarkastischem Ton.
    »Hilf mir, Abby.« Er sah mit einem Dackelblick zu ihr auf. »Bitte.«
    »Danke«, sagte sie, als sie sich bückte, den offenen Maya-Armreif aus dem Wasser holte und nicht ohne Triumph hochhielt.
    Soto hatte den Reif, der laut Tom viel mehr als nur ein Schmuckstück war, beim Sturz ebenso verloren wie das lange Jagdmesser, mit dem er sie in der Grabkammer bedroht hatte. Es lag jetzt außerhalb seiner Reichweite auf dem Grund des flachen Sees. Abby hob es auf und verstaute es mitsamt dem Armreif ohne Eile im Rucksack. Ihr Smartphone packte sie auch ein und fischte dafür Sotos Taschenlampe aus dem See. Offenbar war sie wasserdicht, denn sie funktionierte immer noch.
    Dann ging ihr Blick wieder nach oben, zu dem Loch in der gewölbten Grottendecke. Sie wusste, worum es sich dabei handelte und wie Soto buchstäblich hier gelandet war.
    Diego de Landa hatte nicht nur den Tunnel zur Grabhöhle mit einer Falle gegen den Zutritt durch Unbefugte gesichert, sondern auch den Boden der Senke, in welcher der Tunnelzugang lag. Das wusste Abby aus den Informationen, mit denen Tom sie versorgt hatte.
    Der Boden der Senke war im Laufe der Jahrhunderte auf natürliche Weise abgesunken. Deshalb hatten Abby und ihr Begleiter ihn auf dem Weg zum Tunneleingang nicht betreten müssen. Soto, der nichts von dieser Sicherung wusste, musste das jedoch getan haben, als er mit dem Armreif abhauen wollte.
    Es interessierte Abby nicht, wie es passiert war. Es war einfach nur gut, dass es passiert war – gut für sie, weil sie nun den Armreif zurück hatte. Und weil sie es Soto, der sie schäbig hintergangen hatte, gönnte.
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich dir hier raushelfe, oder?«, fragte sie ihn, der auf die Ellbogen gestützt wie ein Häuflein Elend im Wasser lag, das Gesicht teils weinerlich, teils vor Schmerz verzerrt, den Blick auf seine verdrehten Beine gerichtet.
    »Komm schon, Abby, du bist kein Mensch, der einen anderen hilflos zurücklässt.«
    »Deine Menschenkenntnis ist genauso mies wie dein Charakter«, sagte sie, drehte sich um und ging weiter.
    ***
    Lyon, Frankreich
    Commissioner Spencer McDevonshire machte gern in Lyon Station. Andere Kollegen fanden es lästig, immer wieder einmal im Generalsekretariat von Interpol antanzen zu müssen. McDevonshire kam gerne. Weil es in Lyon das beste Coq au Vin auf der ganzen Welt gab.
    Hier und da war das Gericht zumindest passabel gewesen. Aber
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