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0796 - Larissas blutiger Weg

0796 - Larissas blutiger Weg

Titel: 0796 - Larissas blutiger Weg
Autoren: Jason Dark
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gelächelt.
    Larissa sah sie nicht so.
    Über Jahre hinweg hatte sie die Frau besucht. Es gab keine Person in ihrem zweiundzwanzigjährigen Leben, zu der sie ein so großes Vertrauen gehabt hätte.
    Wie immer bei ihren Besuchen hatte Mamutschka sie in einen alten Lehnstuhl gedrückt. Dort saß sie und wartete darauf, wie Mamutschka den Abschied noch gestalten wollte, denn sie hatte Larissa etwas Einmaliges und Wunderbares versprochen.
    Bis jetzt hatte sich nichts getan. Vor dem Regal war die alte Frau stehen geblieben. Sie ließ ihre Blicke über die einzelnen Fächer gleiten und stellte sich dabei auf die Zehenspitzen, um die Flaschen erreichen zu können, die ganz oben standen.
    »Soll ich dir helfen, Mamutschka?«
    »Nein, ich schaffe es schon.«
    Larissa schaute zu, wie sich die Greisin reckte und ihre Hand dann eine dunkle, bauchige Flasche umklammerte. Sie zog sie vom Regal herab, behielt sie in der Hand und drehte sich langsam um.
    Nicht nur das Feuer erhellte mit seinem Widerschein die Hütte, es gab auch noch zwei andere Lichtquellen. Die Öllampen standen auf den Bänken der kleinen Fenster und malten die Scheiben mit einem rötlichen Muster an. Sie strahlten auch Wärme ab, sodass Eisblumen keine Chance hatten, sich daran festzuklammern.
    Die alte Frau lächelte. »Jetzt bist du gespannt, nicht wahr?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Und worauf?«
    »Hattest du mir nicht etwas versprochen, Mamutschka?«
    Die Greisin nickte. »Das hatte ich. Und was dir deine Mamutschka verspricht, das hält sie auch.« Mit einer triumphierend anmutenden Geste hielt sie die bauchige Flasche hoch und drehte sie dem Schein des Feuers zu, dass auf dem Glas Reflexe entstanden und es so aussah, als würde Leben in ihm stecken. »Das ist sehr wichtig, meine kleine Larissa. Dieses Gefäß.«
    Larissa nickte. »Ich glaube es dir. Aber was soll ich damit, bitte schön?«
    »Du wirst es mit in die weite Welt nehmen«, erklärte die Frau, als sie auf Larissa zuging und die Flasche auf den Tisch stellte.
    »Ein leeres Gefäß?«
    »Es wird nicht leer bleiben…«
    »Nein…?«
    Sehr wohl sah die Greisin den fragenden Ausdruck in den Augen des jungen Mädchens, und sie schickte ihr ein geheimnisvolles und wissendes Lächeln zu. »Du wirst mir ja vertrauen, nicht wahr?«
    »Das habe ich doch immer getan.«
    Die Alte hob einen Finger. Er sah aus wie ein langer Knorpel. »Ja, aber diesmal ist es anders. Ein Vertrauen noch über den Tod hinaus, wenn du verstehst.«
    »Nein, nicht.«
    »Akzeptierst du es trotzdem?«
    Larissa umfasste die Finger der Hexenmeisterin. »Welch eine Frage! Du weißt doch, dass ich mich in deine Hände begeben habe und es nie zu bereuen brauchte. Mir ist es immer gut gegangen. Dein Zauber hat mich beschützt wie ein Mantel.«
    »Sehr richtig, meine Kleine, und so soll es auch bleiben. Besonders in der Fremde.«
    »Was willst du tun?« Larissa überlegte. Dann glänzten ihre Augen.
    »Willst du mich segnen?«
    Die Kräuterhexe lachte leise und zischend. »Segnen, sagst du? Nein, so kann man es nicht nennen. Es ist etwas ganz anderes, das nur uns beiden zugute kommt. Es ist einmalig und wunderbar:« Sie schaute in die Flammen, als könnte sie aus ihnen die Kraft ziehen.
    »Was ist es denn, Mamutschka?«
    »Es ist etwas, das uns verbinden soll.«
    »Ein Geschenk!« Larissa lächelte gespannt. Sie war richtig unruhig geworden. »Sag, dass es ein Geschenk ist, Mamutschka. Ist es ein Geschenk? Ist es das wirklich?«
    »Du kannst es so nennen. Ein Geschenk und gleichzeitig eine Erinnerung an mich und unsere Heimat.« Die Alte hatte leise gesprochen. Mit spitzen Fingern zog sie den Stöpsel von der Flasche. Beides stellte sie neben Larissa auf den klobigen Tisch, wo auch eine Schale mit immergrünem Laub seinen Platz gefunden hat. Seit sich Larissa erinnern konnte, hatte die Schale stets dort gestanden, und das Laub war auch nie verwelkt. Wo sie es herholte, darüber hatte die Mamutschka nie gesprochen. Die Alte schaute auf die Flasche.
    »Das ist es eigentlich.«
    »Was?«
    »Das Geschenk, meine Liebe. Du kannst es auch als mein Vermächtnis ansehen.« Sie sprach weiter, als sie den unsicheren Blick der jungen Frau sah. »Es ist gleichzeitig ein Schutz für dich in der feindlichen Fremde. Denke daran.«
    Larissa war jung und neugierig auf das Leben. Sie hatte die Chance bekommen, reisen zu können. Die Gnade einer späteren Geburt, denn viele ihrer Landsleute waren jetzt zu alt, um noch ein Teil der Welt zu sehen. Sie aber
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