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078 - Im Netz der Lüge

078 - Im Netz der Lüge

Titel: 078 - Im Netz der Lüge
Autoren: Claudia Kern
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ihnen.
    Lynne biss sich auf die Lippe und schüttelte den Kopf. »Ich kann dir im Moment niemanden geben, Jacob. Sobald wir Helena gefunden haben, werde ich dich mit allem unterstützen.«
    »Und wann werden wir Helena gefunden haben?« Seine Stimme klang gepresst. Die Finger seiner linken Hand kneteten seine rechte.
    »Ich weiß es nicht.«
    »Dann solltest du es herausfinden.«
    Jacob sah sie zum ersten Mal an diesem Morgen an. Sein Blick war kalt.
    »Bevor es zu spät ist« , fügte er nach einen Moment hinzu, bevor er sich abwandte und mit wehendem Mantel hinter einem Panzer verschwand.
    Lynne strich sich müde mit der Hand über die Augen. Sie hatte ihn schon lange nicht mehr in einer solch schlechten Stimmung erlebt und ahnte, dass ein Wutanfall in greifbare Nähe gerückt war. Ein Teil von ihr fragte sich, ob sie Jacob eines Tages vielleicht töten müsse, ein anderer hoffte, dass er sie nicht zuerst erwischte.
    »Captain?«
    Sie drehte sich um. Private Blayre salutierte lehrbuchgerecht und zeigte zum Seeufer, wo sie die dunklen Silhouetten einiger Barbaren erkennen konnte.
    »Wir haben Dr. Lewis gefunden, Captain.«
    Der Tonfall, mit er das sagte, verriet Lynne bereits alles, was sie wissen musste. Trotzdem nickte sie und begleitete Blayre zum Ufer.
    ***
    Sie lag mit dem Gesicht nach oben im flachen Wasser. Ihre Haut war weiß, ihre Augen geschlossen. Wellen schwappten über sie hinweg und spielten mit ihren dunklen Haaren. Ihre Fingerspitzen waren runzelig wie nach einem zu langen Bad.
    »Is ertrunken« , sagte Fraapoth. Er war ein Farmer aus Kansas, der in der Stammeshierarchie einen der oberen Plätze einnahm. Jed schätzte seine ruhige, besonnene Art.
    »Ja« , antwortete er und schob die Hände tiefer in die Hosentaschen. »Das… äh, ist sie wohl.«
    Er versuchte Helena nicht anzusehen.
    Im Washingtoner Bunker hatten sie sich nur oberflächlich gekannt, waren einander in den Korridoren oder in einem der Esssäle begegnet, ohne mehr als ein paar Floskeln auszutauschen.
    Nach dem Zwischenfall am Nordpol hatte er auch keine Gelegenheit gehabt, sie näher kennen zu lernen, aber trotzdem berührte ihr Tod ihn anders als die Leichen, die er in den letzten Monaten gesehen hatte. Vielleicht lag es daran, dass mit ihr ein weiterer Teil seiner alten, sicheren (und einsamen, fügte er nach kurzem Zögern hinzu) Welt verschwunden war.
    »Macht mal Platz« , sagte Blayre hinter ihm. »Lasst den Captain durch.«
    Jed trat zur Seite und bemerkte erst in diesem Moment, dass sich fast alle Expeditionsteilnehmer, ob Soldaten oder Stammesangehörige, um die Leiche versammelt hatten. Es erschien ihm falsch, Helena so anzustarren, also wandte er sich ab, während Crow neben ihr in die Hocke ging und sie nach Verletzungen abtastete.
    »Ich hole eine Decke« , sagte er, als Blayre ihn fragend ansah. »Es dauert nur eine Minute, falls Crow mich braucht.«
    » Captain Crow« , korrigierte Blayre.
    Jed ignorierte ihn und schob sich an den umherstehenden Männern vorbei, die leise miteinander sprachen. Nach der langen, mörderischen Reise gab es niemanden unter ihnen, der mit dem Anblick von Leichen nicht vertraut war, aber Helenas Tod war auch für sie etwas Besonderes, vorausgesetzt die ersten Vermutungen, die man zaghaft über einen möglichen Selbstmord geäußert hatte, stellten sich als richtig heraus.
    Dass der junge Joee ermordet worden war und sein Geist nach dem Glauben vieler rastlos über der Lichtung schwebte, fiel kaum noch ins Gewicht.
    Jetzt ging es um den Geist eines Selbstmörders.
    Wenn sie sich wirklich umgebracht hat , dachte Jed, als er den Zelteingang öffnete und im Halbdunkel nach einer der alten Decken tastete, mit denen sie den Boden isolierten. Vielleicht wurde sie ebenso ermordet wie Joee.
    Er hoffte beinahe - auch wenn
    »hoffen« ein vielleicht unangebrachtes Wort war -, dass man zweifelsfreie Spuren ihrer Ermordung finden würde.
    Nur dann ließen sich die komplizierten Rituale, Reinigungen und Austreibungen vermeiden, die ein Selbstmord mit sich brachte, ganz zu schweigen von der sofortigen Räumung des Lagers.
    Mit Geistern, daran erinnerten ihn die Abergläubischeren unter den Kriegern immer wieder, war nicht zu spaßen.
    Jed ertastete die Decke, nach der er gesucht hatte, und zog sie hervor. Sie war dreckig und roch nach Yakk, aber das würde Helena wohl nicht mehr stören.
    So gut es ging, schlug er sie aus, bevor er den Zelteingang schloss und aufstand.
    Pieroo war nur ein Schatten am Rande
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