Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv
Autoren: Stephanie Seidel
Vom Netzwerk:
Barbarin durch das Dornengestrüpp am Wegesrand schleifen ließ. Kraftvoll pumpten die gewaltigen Flügel, um an Höhe zu gewinnen.
    Es war mehr Instinkt als Verstand, was Aruula trotz Angst und Schmerzen antrieb und ihr klar machte, dass Maddrax sie niemals finden würde, wenn sie sich hier und jetzt verschleppen ließ, ohne eine Spur zu hinterlassen.
    Flugwind schlug ihr das lange Haar ins Gesicht; Aruula hob die freie Hand, um es beiseite zu schieben - und schrie unwillkürlich auf, als ein kalter Tentakel ihre Haut berührte. Sie krallte ihre Fingernägel in den tastenden weißen Stummel - und riss ihn ab.
    Diesmal machte sich der Rochen auch ohne Stimmbänder bemerkbar.
    Ein gebündelter Strahl mentaler Energie traf das Gehirn der Barbarin und löste etwas aus, das wie ein extrem schriller Ton ihr Inneres auszufüllen schien - weit über die Schmerzgrenze hinaus. Verbissen kämpfte Aruula dagegen an, versuchte noch ihren Geist zu blockieren, indem sie sich auf ein Bild konzentrierte. Doch der Feind war stärker.
    »Maddrax!«, stöhnte die Barbarin, seltsam blind und taub vor Schmerz, und streckte in Gedanken die Hände nach der schwindenden, alle Farbe verlierenden Vision aus. Ihre Augenlider begannen zu flattern; kaum spürte sie noch, wie sich etwas um ihr freies Handgelenk schlang und daran zog.
    Mit letzter Kraft öffnete Aruula die Finger. Der abgerissene Tentakel fiel in die Tiefe.
    Dann verlor sie das Bewusstsein.
    ***
    Als sie wieder zu sich kam, befand sich der Rochen bereits im Sinkflug.
    Aruula blinzelte heftig und musste ein paar Mal durchatmen, ehe sie begriff, wo sie war: hoch über den wilden Stranden des Kratersees. Vor ihr lag eine Bucht, zum Land hin von einer gigantischen Steilwand umgeben, deren schwarze Felsen an hängende Speerspitzen erinnerten. Zu beiden Seiten der Bucht wuchs eine nach innen gekrümmte Reihe kleiner, vorgelagerter Inseln aus dem Meer, von Dschungel überwuchert und durch aufgeschichtete Steinbrocken verbunden, wodurch das seichte Gewässer den Strand nur sanft berührte, während sich an der Rückseite des Damms die ungezügelte, schäumende Brandung brach.
    Aruula hob den Kopf und musterte die Unterseite des Rochen mit finsterem Blick. Der abgerissene Tentakel war bereits wieder im Wachsen begriffen und schon fast so lang wie die beiden, die ihre Handgelenke umklammerten.
    Aruula versuchte die Arme zu bewegen und stöhnte auf. Die Tentakel hatten ihr das Blut abgeschnürt; ihre Hände waren geschwollen, von dunklen Adern überzogen und kribbelten heftig.
    »Was hast du mit mir vor? Wohin bringst du mich?«, blaffte sie, aber natürlich kam keine Antwort. Stattdessen ließ sich der Rochen über seine linke Tragfläche abkippen, um einem Baum auszuweichen, der kahl und verdorrt am Wegesrand stand.
    Wegesrand? Aruula runzelte die Stirn. Tief unter ihren Füßen verlief ein Geröllsturz, im sanften Bogen den Hügel hinunter und in die Bucht hinein.
    Darauf war ein Pfad zu erkennen - eine Verbindung zum Hinterland! Er endete irgendwo zwischen den Riesenzwiebeln, die überall verstreut aus dem Boden der Bucht wuchsen und in Wahrheit - wie sich bei genauerem Hinsehen zeigte - schilfgedeckte Hütten waren.
    »Die Bucht ist bewohnt!«, flüsterte Aruula erstaunt.
    Ein vages Gefühl der Freude durchlief die Barbarin. Der Gedanke, auf menschliche Wesen zu treffen, erfüllte sie einerseits mit Erleichterung - andererseits konnten solche Begegnungen auch alles andere als friedlich verlaufen.
    Wer mochte hier wohl leben?
    Plötzlich klang lautes Kreischen auf, und Aruula schrak aus ihren Gedanken.
    Der Todesrochen hatte die Bucht gekreuzt und Kurs auf das Meer genommen - geradewegs durch einen Vogelschwarm hindurch.
    »Weg da!«, fauchte Aruula, als einige der Tiere ihr zu nahe kamen und versuchten, die Streifenbemalung von ihrer Haut zu picken. Die Schnäbel waren lang und schmal und die schwarzen Knopfaugen voll dreister Intelligenz - ein bisschen zu intelligent für den Geschmack der Barbarin. Heftig trat sie nach der kreischenden Meute, die sofort auseinander stob, um sich in sicherer Entfernung neu zu formieren.
    Dass die Fischer von Yebo'kraad ihre armlangen, rosa schimmernden Hafenwächter Shiimshuk nannten, wusste Aruula nicht. Shiimshuk war ein gängiges Wort mit mehreren Bedeutungen: zahlreich, fleischig, handlich und - lecker. Sie hörte das Wort zürn ersten Mal, als unter ihr eine helle Stimme
    »Shiimshuk! Shiimshuk!« rief und zwei halbwüchsige Gestalten mit Fingern
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher