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077 - Das Kollektiv

077 - Das Kollektiv

Titel: 077 - Das Kollektiv
Autoren: Stephanie Seidel
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verschwanden - dem Land entgegen, wo irgendwo in der Dämmerung über den Hügeln nicht lange zuvor eine mutige Kriegerin den alten Handelspfad gefunden hatte…
    ***
    Aruula hielt inne - mitten in der Bewegung - und lauschte nach hinten, ohne sich umzudrehen. Da war es wieder!
    Ein Laut, der scheinbar natürlich in der Geräuschkulisse ringsum mitschwang.
    Ein leises, unfrohes Lächeln umspielte die Mundwinkel der Barbarin, während sie nach dem Schwert griff und wie zufällig ein wenig zur Seite wich - weg von den Bäumen.
    Stadtmenschen wäre das gelegentliche, nur leicht aus dem Rhythmus aller anderen Laute herausfallende Knacken im Geäst der winddurchfegten Kronen niemals aufgefallen. Aruula nickte wissend: Da war ein geschickter Jäger unterwegs - und er hatte es auf sie abgesehen!
    Mit größter Wachsamkeit ging die Barbarin weiter.
    Vor einiger Zeit schon war sie auf den lehmigen, von Rillen und Hufspuren bedeckten Streifen gestoßen, der das raue Gelände durchzog. Das musste der alte Handelspfad sein, daran gab es kaum einen Zweifel. Doch Aruula hatte jeden Irrtum ausschließen wollen, deshalb war sie trotz einbrechender Dämmerung weiter gelaufen - nur um jetzt vor der Erkenntnis zu stehen, dass ihr der Rückweg abgeschnitten war.
    Wütend holte sie aus und ließ mit herunter hängendem Arm das Schwert über den wogenden Grünstreifen am Wegesrand sausen. Was immer ihr da folgte - es würde sie nicht in die verhängnisvolle Dunkelheit treiben!
    Ein Heer geköpfter Gräser und Blütenstände flog davon, wurde vom Seewind erfasst und quer über den Pfad gegen die Bäume geweht. Noch wurden ihre dicht belaubten, rauschenden Kronen von der Sonne beschienen, die weit draußen auf See in ein leuchtendes Band zerfloss. Aber jenseits der knorrigen Stämme zog schon die Nacht herauf - langsam, schleichend - und ließ das Hinterland, die Felsen und den Himmel allmählich mit dem luftigen Versteck des Jägers verschmelzen.
    Aruula entschied, dass es besser war, ihn auf den Boden zu locken, solange das Tageslicht noch reichte.
    Ein Windbruch kam in Sicht, der den Waldstreifen entlang des Pfades jählings teilte. Gleichzeitig veränderte sich der Boden: Die harte, holperige Lehmkruste ging fließend in Sand über. Aruula nickte grimmig. Hier oder nie!
    Sorgfältig prägte sie sich Lage und Abstand der gefallenen Bäume ein, während sie auf die Bresche zuging, die ein Wintersturm geschlagen hatte.
    Als sie den letzten noch stehenden Baum passierte, bückte sie sich nach einem Stein, warf ihn aus der Drehung in die Krone und lief los.
    Der Feind reagierte instinktiv. Es krachte und knackte im Geäst, und ein Blätterregen segelte herab, während Aruula freies Gelände erreichte.
    Kampfbereit hielt sie an und wirbelte herum; breitbeinig, mit erhobenem Schwert.
    Die Aussicht war nicht ermutigend.
    Mitten auf dem Pfad stand ein gewaltiger Kuuga.
    Der Berglöwe sah seinen Vorfahren recht ähnlich, war aber größer und trug einen dunklen Stachelkamm auf Kopf und Rücken, der sich aufstellen ließ.
    Zusammen mit vier krallenbewehrten Pfoten und den langen Fängen mächte er das Tier praktisch unangreifbar, und in der Tat - ein Kuuga hatte keine natürlichen Feinde. Entsprechend lässig wandte er sich der Barbarin zu. Aruula hatte ihr Schwert beidhändig gefasst und ließ ihn nicht aus den Augen.
    Es war ein männliches Tier; kompakt, muskulös und - wie die zahlreichen Narben im Fell verrieten - kampferprobt.
    Das sandfarbene Katzengesicht blieb ausdruckslos, nur die angelegten Ohren und ein leichtes, gelegentliches Zucken der Schwanzspitze verrieten seine Erregung. Starre Pupillen erwiderten Aruulas Blick, und ein dumpfes Grollen drang ihm aus der Kehle, während er - kaum merklich - mit dem Hinterteil wackelte. Aruula verstand die Zeichen und war gewarnt.
    Der Kuuga sprang los. Unvermittelt.
    Jedem noch so erfahrenen Jäger zieht es den Magen zusammen beim Anblick einer vorstürmenden Raubkatze, und Aruula machte da keine Ausnahme. Trotzdem blieb sie reglos stehen, als der Kuuga heran kam. Sein ausgestreckter Schwanz hielt ihn verlässlich im Gleichgewicht, Krallen fetzten über den Boden, und der Schub der Hinterhand war so machtvoll, dass der Berglöwe zu jeder Zeit in jede Richtung abschwenken konnte. Hierin lag sein Vorteil bei der Hatz - aber auch seine Schwäche.
    Aruula zwang sich dazu, den Blickkontakt zu lösen, den Jagende halten, weil es ihr Ziel definiert. Statt in die fahlen Augen des Kuuga starrte sie auf
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