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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen
Autoren: Jason Dark
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lagen.
    Er lauschte, weil ihn etwas erschreckt hatte. Waren es Tritte gewesen? Prantl drehte den Kopf. Er hatte keine Ahnung. Zudem war die Sicht einfach zu schlecht. Irgendwo knackte es. Dann sah er zwei Eichhörnchen, die in panischer Angst - so sah es jedenfalls aus - an ihm vorbeihuschten.
    Prantl fühlte sich nicht wohl. Er lauschte förmlich in sich hinein, um herauszukriegen, was mit ihm los war. Da spürte er schon die Furcht, die in ihm hochkroch.
    Er drehte den Kopf.
    Zu sehen war nichts, trotzdem blieb das Gefühl, daß sich etwas verändert hatte und für ihn noch nicht sichtbar auf dem Weg war, den Friedhof zu beherrschen.
    Beherrschen!
    Dieses Wort wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er ging rückwärts und wieder näher an die Eingangstür heran. Auch diese Handlung zeugte davon, daß ihm die Umgebung nicht mehr geheuer war.
    Bisher war der Kirchhof für ihn ein Ort der Ruhe und Besinnung gewesen, das hatte sich nun geändert. Irgend etwas war dazugekommen, etwas, das nicht hergehörte und ihm eben die Furcht einjagte. Mit dem Zeigefinger wischte er sich den Schweiß von der Oberlippe und der Stirn. Es war der kalte Schweiß, der wie Öl auf seiner Haut geklebt hatte.
    Hinter seinen Schläfen pochte es. Im Kopf lag ein seltsamer Druck. Über den Rücken rann eine Gänsehaut. Sein Herz klopfte schneller als gewöhnlich. Prantl fragte sich, ob er krank wurde oder sich all die Dinge nur einbildete. Daß er so schwitzte, lag nicht allein am heißen Kaffee, das Gefühl kam von innen und ließ sich einfach nicht verdrängen. Seine Nervosität nahm von Sekunde zu Sekunde zu, der Kopf bewegte sich hektisch, Prantl wollte so viel sehen wie möglich, aber der vor ihm liegende Friedhof schwieg.
    Natürlich kam ihm der Gedanke an einen Patrouillengang, den aber wies er von sich. Den Mut würde er nicht aufbringen können. Wenn der Küster dabeigewesen wäre, hätte alles anders ausgesehen.
    Aber der gute Mann saß wie jeden Abend im Wirtshaus und trank seine Biere.
    Prantl blieb allein.
    Er zog sich wieder zurück. Vor dem Haus war es ihm einfach zu unheimlich geworden. Als er die Tür schloß, atmete er auf. Er rechnete damit, daß es ihm besserging, was nicht der Fall war, denn eine- Beruhigung trat nicht ein.
    Das Gefühl blieb.
    Er ging durch seine Räume. Dabei kam er sich vor wie ein Fremder, der sie zum erstenmal sah. Er hatte die Beziehungen zu den einzelnen Möbelstücken verloren, der Geruch gefiel ihm auch nicht.
    Er blieb in der Küche stehen und schaute auf seine Tasse, in der noch ein Kaffeerest eingetrocknet war.
    Das widerte ihn an.
    Vielleicht sollte er etwas anderes zu sich nehmen. Konnte ein dritter Schnaps schaden?
    Er wußte es nicht, holte eine Flasche mit Selbstgebranntem aus dem Schrank und ein kleines Glas, dessen Seiten mit Wiesenblumen bemalt waren.
    Als er das Glas auf den Tisch stellte, da fiel ihm auf, wie sehr seine Hände zitterten. Fast hätte er die Hälfte des Schnaps verschüttet. Es gefiel ihm auch nicht, daß er seinen Rücken dem Fenster zudrehte. Er stopfte den Korken wieder auf die Flasche, ließ sie aber auf dem Tisch stehen und setzte das Glas an.
    Den Obstler kippte er mit einem Ruck weg. Der hatte nicht im Kühlschrank gestanden, er war dementsprechend warm und rann wie Feuer durch seinen Hals in Richtung Magen.
    Der Pfarrer schüttelte sich, als hätte er Essig oder Säure getrunken, aber der Obstler tat gut, denn die Wärme blieb in seinem Körper.
    Prantl stellte das Glas ab. Dann drehte er sich um und ging auf seinen Stammplatz zu. Er wollte sich dort niederlassen und in Ruhe nachdenken.
    Auf der Bank fühlte er sich am wohlsten. Hier saß er immer und dachte nach. An diesem Platz entstanden auch seine sonntäglichen Predigten, doch an diesem Tag wäre ihm nichts eingefallen. Sein Kopf war leer und gleichzeitig von einer bösen Furcht erfüllt.
    Etwas Unheimliches, Unerklärliches hatte sich wie ein Schatten über den Friedhof gelegt und auch vor der Kirche nicht haltgemacht, denn sie bot keinen Schutz.
    Auf seinen Wangen spürte er ein Jucken. Er kratzte mit den Nägeln darüber hinweg und hatte, ohne es zu merken, den Blick auf das Fenster gerichtet.
    Prantl sah es nicht, er spürte es.
    Da war etwas.
    Aufstehen, nachschauen, das Unbekannte vertreiben. So hätte er eigentlich handeln müssen. Statt dessen blieb er sitzen.
    Warum tat er nichts?
    Er atmete seufzend. Eine Antwort konnte er sich nicht geben. Etwas hemmte ihn. Der Pfarrer schaute einzig und allein auf
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