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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen
Autoren: Jason Dark
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drei fremden Gräber dabei eingeebnet werden.
    Man hatte dort Amerikaner begraben. Soldaten, GI's. Er hatte davon nur gehört, und es hatten sich damals schlimme Dinge zugetragen, über die nicht gesprochen wurde. Zwar wußten noch ältere Einwohner Bescheid, sie aber hielten den Mund. Nur hin und wieder ließ sich einer zu einem Kommentar hinreißen. Er sprach dann von einem verfluchten Teufelswerk. Prantl nahm dies kommentarlos hin.
    Er hatte im Prinzip nichts dagegen. Er wußte, daß die Gräber viele störten, aber auch diesen Toten mußte eine letzte Ehre erwiesen werden. Schließlich waren es Menschen gewesen.
    Darüber dachte Prantl nach. Er fand diese Gedanken nicht besonders glücklich, überhaupt sah er den Abend als einen besonderen an, allerdings im negativen Sinne.
    Er stand auf.
    Warum er das tat? Hochwürden wußte es selbst nicht. In ihm steckte eine Unruhe, die er nicht erklären konnte. Es konnte natürlich am Wetter liegen, das wollte er nicht akzeptieren. Diese Unruhe mußte einen anderen Grund haben.
    Es lag etwas in der Luft, und das hatte nichts mit dem Gewitter zu tun.
    Der Geistliche schaute gegen das im Winkel hängende Kreuz. Ein Schatten war über die Christusfigur gefallen, und Prantl nahm dies als böses Omen hin, obwohl es für den Schatten einen natürlichen Grund gab und er immer bei bestimmten Lichtverhältnissen auftrat.
    Heute war eben alles anders.
    Er fühlte sich wie elektrisiert. Auf seiner Haut kribbelte es. In den Adern ebenfalls. Da floß das Blut wie ein elektrischer Strom, und er merkte, wie sich die kalte Haut auch auf seinem Rücken ausbreitete. Langsamm ging er durch seine Räume. Er betrat den Schlafraum, der im Dunkeln lag.
    Hinter dem Fenster bewegten sich Schatten. Etwas kratzte gegen die Scheibe wie starre Finger.
    Es waren nur Büsche, deren Zweige vom böigen Wind hin- und hergeschlagen wurden.
    Der Pfarrer lächelte. Er strich über sein blondes, schon schütter gewordenes Haar, schalt sich selbst einen Narren, der sich durch völlig normale Vorgänge in Angst jagen ließ. Um den Gegenbeweis anzutreten, wollte er seine Wohnung verlassen und ins Freie gehen.
    Der Schlüssel steckte von innen. Er zog ihn heraus und nahm ihn mit, als er die Tür aufzog und über die Schwelle trat. Sofort spürte er den Wind, der ziemlich warm war, als hätte er sich in der Wüste Sahara aufgeheizt.
    Das wies auf ein Gewitter, wenn nicht sogar auf ein Unwetter hin. Der Pfarrer kannte die Anzeichen. Das Finale würde aus Hagel, Sturm, Schnee und Wolkenbrüchen bestehen, untermalt von mächtigen, flammenden Blitzen.
    Er ging einige Schritte weiter und geriet in den Wind, der an seiner Kleidung zerrte. Der Pfarrer ging an der Hecke vorbei, über die ebenfalls der Wind strich, und hatte dann freie Sicht auf den Friedhof.
    Er blieb stehen.
    Es war seltsam an diesem Abend. Die Dämmerung mußte schon vorbei sein, die Nacht war herangekrochen, trotzdem herrschte ein ungewöhnliches Licht auf dem Friedhof. Prantl wußte nicht, woher es kam, es mußte der Mond sein, der es abstrahlte. Eigentlich hatte er dieses Licht noch nie so intensiv mitbekommen wie in dieser Nacht, in der alles so anders war. Ein Friedhof war tot. So paradox es klang, aber er lebte von den Toten. Und doch kam es dem Pfarrer so vor, als hätte sich hier etwas gebildet, das nicht hergehörte.
    Der Wind strich über die Gräber. Sie lagen wie eine niedrige Kulisse vor ihm, zumindest das obere Gräberfeld, die beiden unteren konnte er aus seiner Perspektive nicht sehen.
    Staubfahnen zogen über Grabstätten hinweg. Kleine Steine bewegten sich rollend, manchmal knirschte es. Das hörte sich an, als hätte ein schwerer Mensch seinen Fuß auf kiesigen Boden gestemmt.
    Hochwürden fror. Der Wind wühlte in seinen Haaren, als wollte er sie ihm vom Kopf reißen.
    Was stimmte hier nicht?
    Prantl runzelte die Stirn. Bei ihm immer ein Zeichen dafür, daß er nachdachte. Nur konnte er diesmal nichts herausfinden. Er entdeckte einfach keinen Beweis für seine Annahme.
    Er sah auch keine Menschen, die über den Gottesacker schlichen. Die Wolken dagegen bildeten immer neue Figuren, und wenn die dann für kurze Zeit den Mond verdeckten, sah es aus, als würde sich ein grauer Schleier über den Friedhof legen.
    Er hörte noch keinen Donner, dafür aber das Prasseln der kleinen Steine, wenn der Wind sie gegen die Scheiben oder die Außenwände der Kirche schleuderte.
    Das war keine gute Nacht. Prantl ahnte, daß böse Stunden vor ihm
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