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0767 - Zeit der Wachsleichen

0767 - Zeit der Wachsleichen

Titel: 0767 - Zeit der Wachsleichen
Autoren: Jason Dark
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einem Appell angetreten waren.
    Außer uns war niemand mehr auf dem Gräberfeld. Es gab keinen einzigen Hinweis auf die lebenden Leichen. Wir gingen weiter. Beide bemerkten wir den Schein an der rechten Seite. Es war nur ein Reflex, aber er machte uns aufmerksam. Zugleich hörten wir hinter den Bergen das dumpfe Grummeln des Donners und sahen auch das fahle Wetterleuchten über die Grate huschen.
    »Wir werden bald ein Gewitter haben«, sagte ich.
    »Stört Sie das?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber das Licht, nicht wahr?«
    »Wie es aussieht, gehört es nicht zur Kirche. Ich kann mir vorstellen, daß dort der Pfarrer lebt und von den Vorgängen auf dem Friedhof noch nichts bemerkt hat.«
    »Wir aber auch nicht, Sinclair. Ich frage mich, wo sich Mutter und Sohn versteckt halten.«
    »Wir werden Sie schon finden.«
    »Und wie machen wir es?«
    »Wir müssen uns trennen und die verschiedenen Ebenen unter die Lupe nehmen.«
    »Das gefällt mir nicht. Wir bleiben zusammen, Bulle.« Sie lächelte hinterlistig. Ich konnte mir vorstellen, daß sie an ihren Job dachte, aber den Zahn würde ich ihr ziehen, falls es in meiner Macht stand. Nicht noch ein Mord in meinem Beisein!
    »Kommen Sie weiter.«
    Ich hatte mich natürlich für das obere Drittel des Friedhofs entschieden und konnte mir auch vorstellen, daß hier die böse Schau gelaufen war.
    Die Mörderin blieb direkt hinter mir. Auf keinen Fall wollte sie mich aus den Augen lassen. Mich störte es nicht, daß sie ihre Waffe in der Hand hielt, denn sie würde sich hüten, mir damit zu drohen, denn auch sie war auf mich angewiesen. Lebende Leichen reagierten anders als normale Menschen.
    »Haben Sie eine Lampe, Sinclair?«
    Sie konnte Gedanken lesen, denn daran hatte ich gedacht. Sollte jemand den Friedhof beobachten, dann hätte er uns auch in der Dunkelheit gesehen, deshalb konnte ich es durchaus riskieren, die Lampe einzuschalten.
    Der bleiche Strahl zerschnitt die Finsternis. Er huschte über Gräber hinweg, er holte die Metallkreuze aus der Finsternis, er berührte Blätter und Zweige und ließ deren Blätter manchmal aufleuchten wie wertvolle Taler.
    Als ich die Hand schwenkte und über die letzten Gräber hinwegleuchtete, drang der Lichtbalken in eine besonders düstere Ecke des Friedhofs, dicht an dessen seitlichem Ende vor.
    Da standen auch Gräber, allerdings ohne Kreuze. Sie waren mit schlichten Steinen versehen, die zudem noch eine Schieflage bekommen hatten.
    Ich blieb stehen und leuchtete sie systematisch ab.
    Drei Gräber, drei Grabsteine. Das war doch schon was. Zumindest ein Hinweis, fand ich. Ich ging näher ran. Die kleine Leuchte blieb dabei eingeschaltet. Der Winkel veränderte sich etwas. Ich stellte fest, daß eines der Gräber vor den beiden anderen stand und sich so abgesetzt hatte. Um es zu erreichen, mußten wir einen kleinen Hang hochklettern. Hinter mir knirschten die Schritte der Mörderin. »Sinclair, ich glaube, wir haben es gepackt.«
    Ich gab keine Antwort, ließ den Hang mit drei Schritten hinter mir und blieb neben dem Grab stehen.
    Ich leuchtete dagegen.
    Sofort wußte ich Bescheid. Ich wurde an Dinge erinnert, die schon lange zurücklagen, an meinen ersten Fall, als zahlreiche Tote ihre Grabstellen verlassen hatten. Sie hatten so ähnlich ausgesehen wie dieses Grab hier. Da war die Erde ebenfalls von innen her aufgewühlt worden, und sie sah aus wie zerhackt.
    Tief holte ich Luft.
    Neben mir bewegte sich Sally Vincaro. Ihr Schatten fiel über das Grab und in den Lichtstreifen hinein. »Verdammt, Sinclair, was sagen Sie denn dazu?«
    »Muß ich?«
    »Ich würde schon gern wissen, was Sie davon halten. Ansonsten kann ich es Ihnen ja erklären.«
    »Das ist nicht nötig. Wir haben es hier mit einem Zombie zu tun, und leider ist das kein Film.«
    »Gut getroffen. Eine lebende Leiche, Bulle. Kriegt einer wie Sie denn keine Angst?«
    Ich verzichtete auf eine Bemerkung und umrundete das Grab. Sally schuf mir Platz, damit ich vorn an ihr vorbeigehen konnte. Was ich da sah, gefiel mir überhaupt nicht, und meine lautlosen, innerlichen Flüche waren nicht druckreif. Bisher hatte ich noch immer daran gezweifelt, jetzt bekam ich den düsteren Beweis präsentiert.
    Der Wind brachte Staub mit und blies ihn mir ins Gesicht. Sally mußte wieder sprechen. »Sie… Sie sagen ja gar nichts mehr, Sinclair. Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?«
    »Bestimmt nicht.«
    »Angst?«
    »Hören Sie auf.« Ich wollte sie anschauen, aber sie drehte sich weg und
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