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0764 - Zeit der Grausamen

0764 - Zeit der Grausamen

Titel: 0764 - Zeit der Grausamen
Autoren: Jason Dark
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Klinik als ihre Heimat anzusehen? Weshalb fühlte sie sich hier wohl? Warum war ihre Unsicherheit plötzlich verschwunden?
    Sie konnte es sich nur damit erklären, daß während ihres Aufenthalts in diesem Gebäude etwas Entscheidendes mit ihr passiert war, das ihr jetzt gefühlsmäßig entgegenkam.
    Den Wagen hatte sie in die Deckung einer Böschung gefahren und dort abgestellt. Auf der Böschung verlief ein Gleis, aber hier fuhr schon seit Jahren kein Zug mehr, denn die Strecke war stillgelegt worden. Sie war dann auf die Böschung geklettert, hatte sich hinter dichte Brombeersträucher geduckt, einige Minuten gewartet und hatte erst dann über sie hinweg nach Süden geschaut, wo sie das Gebäude der ehemaligen Klinik vor sich sah.
    Erinnerungen drängten sich in ihr hoch.
    Wenn sie die Augen schloß, dann wurde die Vergangenheit lebendig. Sie fügte sich zusammen zu einer Reihe von plastischen Bildern, die sie genau nachvollziehen konnte.
    Sie sah sich wieder durch die Räume gehen. Sie war verzweifelt, wenigstens in den ersten Tagen, denn sie war sich in der Klinik wie lebendig begraben vorgekommen. Und sie hatte diejenigen verflucht, die ihr den Rat gegeben hatten, sich hier zu versuchen.
    Dann aber war alles anders gewesen. Sie hatte andere Patienten kennengelernt und festgestellt, daß es so schlimm nicht war. Zumeist Männer, die ihr vorgekommen waren, als wären sie von einem düsteren Geheimnis umgeben.
    Sie hatte sie nie danach gefragt. Dann aber war der Tag gekommen, als man sie auch einweihte.
    Man hatte sie in einen geheimnisvollen Raum geführt, und dort hatte sie dann etwas gesehen und erlebt, das sie eigentlich vergessen hatte, aber noch sehr tief in ihrem Unterbewußtsein steckte und erst wieder durch bestimmte Ereignisse an die Oberfläche gelangen würde.
    Die Erinnerungen verwischten, die Bilder verschwanden allmählich, und sie konnte sich wieder auf die Gegenwart konzentrieren, das heißt, auf die Klinik.
    Was hatte sich verändert?
    Am Gebäude selbst nichts. Der Garten an der Rückseite jedoch sah anders aus. Selbst aus der Distanz war zu sehen, wie sehr eine pflegende Hand fehlte. Die Pflanzen und Gewächse waren nicht nur gewachsen, sondern regelrecht gewuchert.
    Unterholz, Gras und Gesträuch bildeten ein Durcheinander. Wege waren nicht mehr zu sehen, Bäume wuchsen ungehindert. Alles in allem lag ein verwildertes Gelände vor ihr, was ihr aber sehr entgegenkam, denn so konnte es ihr gelingen, ungesehen das Haus zu erreichen, die Deckung dafür war hoch genug.
    Noch wartete sie. Wieder überfielen sie die Erinnerungen und sie preßte ihre normale Hand gegen die noch normal aussehende Stirnseite. Da war etwas, das sie nicht aus ihrem Gedächtnis verbannen konnte. Es hing mit dem dunklen Raum zusammen, in den man sie geführt hatte. Dieser Raum hatte ihrem Leben eine entscheidende Wende gegeben. Erst als sie ihn hinter sich hatte, war der Grundstock für ihre Veränderung gelegt worden. Aber was war dort geschehen?
    Sie wußte es nicht, sie kam nicht damit zurecht. Die Erinnerung an Einzelheiten wollte nicht kommen. Sie verschwamm in einem schwammigen, düsteren Grau.
    Aber sie wollte mehr wissen, denn es war ihr unmöglich, das Schicksal ohne weiteres hinzunehmen.
    Sie wollte erfahren, wie es zu dieser Veränderung gekommen war, und deshalb mußte sie die Klinik betreten. Wenn sie erst einmal dort war, würde ihr die Lösung sicherlich einfallen.
    Schräg laufend ließ sie die Böschung hinter sich. Helen fand einen schmalen Pfad, mußte ihn aber bald verlassen und über freies Feld laufen, um den Garten zu erreichen.
    Sie duckte sich.
    Auch wenn sie keinen Menschen sah, war sie vorsichtig. Es war heiß. Die Sonne knallte auf die Erde nieder. Sie hatte ziemlich lange gewartet, bevor sie den Entschluß gefaßt hatte, sich dem Ziel zu nähern, wo sich die Tür ins Dunkel ihrer nahen Vergangenheit öffnen sollte.
    Das Grundstück war durch einen Zaun umfriedet worden. Wegen seiner grünen Farbe fiel er kaum auf und harmonierte mit den Farben der Natur. Gab es eine Lücke?
    Nein, ein schmales Tor im Zaun, durch Eisenstäbe verstärkt, aber nicht verschlossen. Sie konnte es ohne Mühe eintreten und das Grundstück betreten.
    Niemand ließ sich blicken. Sie duckte sich und ging weiter. Jetzt war sie mehr Mensch als Vogel, und das Menschliche überwog auch bei ihr. Sie konnte mit ihrem menschlichen Auge viel besser und klarer sehen als mit dem der Eule.
    Büsche nahmen ihr die Sicht. Hohe Gräser
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