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0754 - Der Zeitsauger

0754 - Der Zeitsauger

Titel: 0754 - Der Zeitsauger
Autoren: Christian Constantin
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schließlich. »Gehen wir also zur Polizeiwache.«
    Kathy zog die Augenbrauen hoch und erwiderte: »Vielleicht sollten sie sich vorher ein wenig frisch machen.«
    Er sah an sich hinab und verzog das Gesicht. Er war völlig durchnässt und schmutzig. »Sie haben Recht. Ich sollte beim Hotel vorbeischauen und die Kleidung wechseln, bevor wir die Leiche begutachten.«
    »In Ordnung«, meinte Kathy lächelnd. »Aber ich fahre. Sie scheinen mir noch etwas angeschlagen zu sein.«
    »Na großartig«, murmelte Zamorra.
    Das hatte ihm gerade noch gefehlt…
    ***
    An Kathys Fahrstil hatte sich nichts geändert. Sie fuhr immer mindestens 20 km/h über der Geschwindigkeitsbegrenzung, schnitt ständig andere Autos und sorgte generell dafür, dass Zamorra das zweite Mal an einem Tag um sein Leben fürchten musste.
    Trotzdem kamen sie heil und gesund an. Kathy klopfte Zamorra aufmunternd auf die Schulter und kündigte an, ihn in einer Stunde abzuholen.
    Das Hotelzimmer war nicht gerade luxuriös, aber immerhin sauber. Zamorra drehte die Heizung auf, ließ sich ein warmes Bad ein und tauschte die nassen Sachen zunächst gegen einen Morgenmantel ein. Dann rief er Nicole an, um ihr von seiner Begegnung zu berichten.
    »Das gefällt mir nicht, Chef«, sagte sie, als er fertig war. »Wieso hat er dich beobachtet? Woher kannte er deinen Namen?«
    Damit stellte Nicole genau die Fragen, die er selbst sich auf der Fahrt hierher immer wieder gestellt hatte. Wer war dieser Mann? Immer wieder musste er an die rätselhaften Worte des Fremden denken.
    Und sie werden mir dabei helfen, Professor.
    Was hatte er damit nur gemeint?
    »Ich weiß, ich weiß«, stimmte er ihr zu. »Das macht mir auch Sorgen. Allmählich habe ich den Eindruck, dass mehr hinter der Sache steckt als ein willkürlicher Mord.«
    Schweigen herrschte für einige Momente am anderen Ende der Leitung.
    »Okay«, sagte Nicole schließlich langsam. »Ich muss noch ein paar Sachen herausfinden, aber morgen früh bin ich bei dir.«
    »In Ordnung, Chérie. Ich schaue mir noch das Opfer an, und dann war's das für heute. Niedergeschlagen zu werden macht mich sowieso müde.«
    »Gut. Also, ich habe ein paar Neuigkeiten. Zum einen habe ich festgestellt, dass es in letzter Zeit in Manchester nicht mehr ungeklärte Mordfälle gab als üblich. Das hat aber für uns keine Bedeutung.«
    »Hat es nicht?«
    »Nein. Was wir suchen, sind keine Mordopfer, sondern alte Menschen, die eines natürlichen Todes gestorben sind, und die nicht identifiziert werden konnten. Die Identität des Opfers konnte in diesem Fall nur festgestellt werden, weil sie in ihrer Wohnung ermordet wurde und ihre Papiere dabei hatte. Niemand wäre sonst darauf gekommen, um wen es sich handelt. Und jetzt pass auf: In Manchester gab es innerhalb des letzten Jahres über sechzig Todesfälle mit nicht identifizierten Opfern, die auf über siebzig Jahre geschätzt werden. Die statistisch normale Zahl für einen solchen Zeitraum liegt bei zehn bis zwanzig solcher Fälle. Der Hammer ist: Es gibt einen Anstieg in vergleichbarer Höhe, was die Vermisstenanzeigen betrifft.«
    Zamorra schauderte. Wenn Nicole Recht hatte, hatte der Fremde in den letzten zwölf Monaten über vierzig Menschen ermordet, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.
    Eine Reihe anonymer Toter, die niemand mehr als die Menschen erkennen konnte, die sie einmal waren.
    Er räusperte sich.
    »Die Vermissten, Nicole, waren das in erster Linie junge Frauen? So zwischen zwanzig und dreißig?«
    »Warte mal…«
    Zamorra hörte das Kläcken der Tastatur, als Nicole seine Vermutung per Computer überprüfte. Nach ein paar Sekunden meldete sie sich wieder.
    »So ist es. Die meisten Opfer waren jung und weiblich.«
    Er mordet immer nach demselben Schema, dachte Zamorra. Das typische Verhalten eines Serienkillers. Aber warum war er hinter mir her? Ich passe nicht in sein Muster.
    »Danke, Chérie«, sagte er. »Das sollte uns weiterhelfen. Ich melde mich noch mal, wenn ich die Leiche des Opfers gesehen habe, okay?«
    »Okay. Bis dahin habe ich hoffentlich auch noch mehr herausgefunden. Mach's gut, Chéri. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch. Bis später.«
    Zamorra legte den Hörer auf. Dann warf er einen Blick auf das Bett und seufzte. Nach der Erfahrung, die er gerade gemacht hatte, wirkte das Bett wesentlich einladender als die Vorstellung, einen abendlichen Ausflug in die Leichenhalle zu unternehmen.
    Aber immerhin war ein heißes Bad auch schon eine Verbesserung
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