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0724 - Der Stasi-Vampir

0724 - Der Stasi-Vampir

Titel: 0724 - Der Stasi-Vampir
Autoren: Jason Dark
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Helga!
    Seit zehn Jahren war sie weg. Jemand hatte sie geholt, und keiner hatte ihm damals glauben wollen, daß sie von einem Wesen entführt worden war, das es eigentlich nicht geben durfte. Von einem Blutsauger, einem finsteren Vampir.
    Helmut war zur Polizei gegangen, hatte dort seine Aussage gemacht, die ihm einen kurzen Aufenthalt in der Nervenklinik eingebracht hatte, weil man ihm nicht glaubte.
    Natürlich hatte er Helga abgeschrieben, obwohl er nie vor ihrer Leiche gestanden hatte.
    Und jetzt sah er sie wieder.
    In der Luft, vor dem Fenster, das zu einer Wohnung in der dritten Etage gehörte.
    Da kam er nicht mit. Das war ihm zu schwer, das konnte er nicht begreifen, aber er begriff sowieso nichts. Er wollte auch nicht nachdenken, sondern sich einzig und allein den Tatsachen stellen, daß seine Frau vor dem Fenster schwebte. Es hatte einfach keinen Sinn, da nach großen Erklärungen zu forschen.
    Wenn er den Arm langmachte, dann konnte er die Scheibe mit den ausgestreckten Fingern berühren, aber das wiederum tat er nicht. Dafür fürchtete er sich zu sehr.
    Nur auf das Gesicht konzentrierte er sich. Helmut Stoßflug wunderte sich darüber, daß er das Gesicht trotz der Finsternis gut erkennen konnte. Es war einfach irre, und das kam ihm vor, als würde es sich in einem Spiegel befinden.
    Das wiederum stimmte auch nicht. Sie schwebte dicht vor der Scheibe und war echt.
    Der Mann ging vor. Er hämmerte sich ein, ruhig zu bleiben, auf keinen Fall die Nerven zu verlieren.
    Dann stand er vordem Fenster.
    Nur mehr die Scheibe trennte die beiden Gesichter des Ehepaares. Aus einer sehr kurzen Distanz schauten sie sich an. Stoßflug suchte den direkten Blickkontakt zu seiner Frau, er konnte sie auch gut erkennen und hatte das Gefühl, daß sie um keinen Tag seit ihrem Verschwinden gealtert war.
    Im Gegensatz zu ihm. Da hatten die Jahre schon ihre Spuren hinterlassen.
    Helgas Haar schimmerte noch immer in einem rötlichblonden Farbton. Sie war eine schöne Frau, hatte das Haar immer sehr lang getragen, so daß es wie eine Fahne um ihre Schultern lag.
    Die Frisur war gleich geblieben, auch das fein geschnittene Gesicht mit der immer zu blassen Haut, was bei Menschen mit rötlichen Haaren sehr oft der Fall war.
    Sie schauten sich an.
    Keiner sprach.
    Dabei hätte Helmut ihr soviel zu sagen gehabt. Nur traute er sich nicht, den Mund zu öffnen und viele Fragen zu stellen. Zudem hatte ihn die Überraschung stumm gemacht.
    Aber er bewegte seinen Arm. Mit der Hand zielte er nach dem Fenstergriff. Er mußte, wenn er mit Helga reden wollte, das Fenster öffnen, sie erst einmal hineinlassen und ihr dann die entsprechenden Fragen stellen. In der langen Zeit des Verschwindens hatte sich wahnsinnig viel bei ihm aufgetürmt.
    Der Griff bestand aus Metall. Es war kalt. Als Stoßflug seine Hand zurückzog, sah er, daß ein feuchter Film auf ihm zurückgeblieben war. Er hatte sich noch nicht getraut, das Fenster zu öffnen und griff ein zweites Mal zu.
    Jetzt bog er den Griff nach unten, er zog das Fenster auf und hatte das Gefühl, mitten in einem Film zu stehen und nicht im normalen Leben zu sein, denn alles lief anders ab, viel langsamer als sonst, beinahe schon im Zeitlupentempo.
    Die kalte Luft einer Novembernacht wehte ihm ins Gesicht. Es roch nach dem Gestank alter Kohle, auch irgendwo nach brackigem Flußwasser, und durch die Luft selbst wehte ein feiner Sprüh.
    Das alles bekam Helmut Stoßflug nicht richtig mit. Er stand vor dem Fenster, und seine Lippen bewegten sich, als er den Namen seiner Frau aussprach.
    »Helga…«
    Es war für ihn ein mühsames Unterfangen, eine zu lange Zeit der Trennung lag zwischen ihnen. Sie kam ihm auch nicht so vertraut vor, mehr wie eine Fremde, aber eine fremde Person, die tatsächlich in der Luft schwebte. Als er den Blick senkte, da war nichts, auf dem ihre Füße standen, sie hing vor ihm.
    Er atmete röchelnd, er bekam diese Erkenntnis zusammen mit dem ersten richtigen Schock und der darauf folgenden Gänsehaut.
    Es wurde noch schlimmer für ihn, denn das blasse Gesicht der Frau verzog sich zu einem Lächeln.
    Kein nettes Lächeln, eher ein wissendes, sogar ein böses. Sie lächelte und zeigte dabei ihr Markenzeichen.
    Zwei aus dem Oberkiefer wachsende, unten spitz zulaufende, grausame Vampirzähne!
    Helmut Stoßflug konnte es nicht begreifen. Er stand auf dem Fleck wie angeleimt. Noch immer kam er sich vor wie in einem Film, der sich zu einem fürchterlichen Drama entwickelt hatte, in
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