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0711 - Die Nacht der Wölfe

0711 - Die Nacht der Wölfe

Titel: 0711 - Die Nacht der Wölfe
Autoren: Claudia Kern
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einen kleinen Benzinkanister explodieren zu lassen. Langsam griff er nach seiner Waffe, überprüfte das Magazin und legte an.
    Er schoss.
    Zehn Schüsse donnerten in rapider Folge über den Platz. Yellowfeather schien nicht zu zielen, hoffte wohl, rein zufällig den Kanister zu treffen. Vielleicht war er auch zu unkonzentriert, oder von der Auseinandersetzung mit dem Wolfsköpfigen zu geschwächt, um die Pistole richtig zu halten.
    »Was tun Sie da?«, schrie Nicole ungewollt.
    Einige Tulis-Yon lösten sich aus der Meute der Angreifer und gingen ohne Hektik auf Yellowfeather zu. Die Kugeln konnten ihnen nichts anhaben, und das wussten sie.
    Der Sheriff zog ein zweites Magazin aus dem Gürtel. Es fiel vor ihm in den Staub. Er bückte sich hastig, hob es auf und steckte es umständlich in die Waffe. Erst nach dem dritten Anlauf richtete er die Pistole wieder auf den Kanister.
    Die Tulis-Yon kamen immer näher.
    Wieder krachten Schüsse.
    Ein Feuerball schoss in die Höhe, als der Kanister in einer grellen Explosion auseinanderflog und heißes, brennendes Benzin verschleuderte. Die Hitzewelle erfasste auch den Blaster und ließ ihn aufglühen.
    Im nächsten Moment zündete das Magazin.
    Eine noch grellere Explosion loderte auf. Die Druckwelle reichte bis hinauf zum Glockentürmchen und schleuderte Nicole gegen einen Balken. Das Vordach knickte weg und brach in sich zusammen.
    Dann wurde es still.
    ***
    Zamorra hatte keine Ahnung, wie sie den Weg durch den Canyon hinter sich gebracht hatten, aber irgendwann standen sie vor den Wagen. Er wusste, dass er den Hong Shi direkt bei sich und Brooke hätte anwenden müssen, aber der Vorgang war extrem schmerzhaft, und er konnte es nicht riskieren, Miguel mit zwei Bewusstlosen und einem leeren Blaster zurückzulassen. Im Auto waren sie zumindest in Bewegung, wenn die Tulis-Yon einen weiteren Angriff versuchten.
    Brooke hatte bereits das Bewusstsein verloren, als Miguel, der ihn den Weg über getragen hatte, die Tür des Jeeps öffnete. Vorsichtig setzte der Mexikaner ihn auf die Rückbank.
    Zamorra stieg ebenfalls hinten ein. Seine Knie waren weich und die Bisswunde in seiner Schulter pulsierte heiß. Schon jetzt war sein Hemd voller Blut. Er wusste, dass er die Stadt nur lebend erreichte, wenn der Hong Shi die Blutung stoppte.
    Erschöpft lehnte er sich gegen den Rücksitz.
    »Die Schlüssel stecken«, sagte er.
    Miguel nickte, blieb jedoch neben der Tür stehen.
    Zamorra sah ihn an. »Du kannst fahren, oder?«
    Miguel schüttelte den Kopf und hob die Schultern. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm.
    »Dann lernst du's jetzt.«
    In fünf Sätzen erklärte Zamorra ihm die Grundregeln des Autofahrens, dann wandte er sich Brooke zu. Er konnte nicht mehr länger warten.
    Der bewusstlose Polizist stöhnte schmerzerfüllt, als der Hong Shi seine Wunde berührte. Der schwarze Stein begann rot zu pulsieren. Brooke wand sich auf dem Rücksitz, aber Zamorra ließ erst los, als die Wunde sich zu schließen begann.
    Mittlerweile war es Miguel gelungen, anzufahren. Er ruckte und holperte und blieb einige Male stehen, wenn der Mexikaner den Motor abwürgte und wieder neu starten musste. Warum hat das verdammte Ding kein Automatikgetriebe?, fragte sich Zamorra. Dann bliebe uns wenigstens dieses Geholpere erspart.
    Aber man konnte nicht alles haben. Auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten nicht. Immerhin brachte Miguel den Jeep immer wieder ans Laufen. Unsicher lenkte er den Wagen über die Sandpiste.
    Zamorra schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und legte den Hong Shi auf seine Schulter.
    Alles hat seinen Preis, dachte er.
    Und verlor das Bewusstsein.
    Als er wieder zu sich kam, ging im Osten die Sonne auf.
    ***
    Während Zamorra bei Sonnenaufgang die Augen öffnete und Chang von den Tulis-Yon im Cañon de la Bestia, wie die Mexikaner die Schlucht nannten, die Asche seiner Krieger im Hauch des Morgenwindes vorüberwehen sah, stahl sich Fu Long aus der schlafenden Umarmung Jin Meis und schlich in sein Arbeitszimmer.
    Es gab eine Formulierung, die er im Zusammenhang mit dem Hong Shi gelesen hatte und die ihm nicht ganz klar wurde.
    Er schaltete die Schreibtischlampe an und breitete die Schriftrolle aus.
    »Welches Geheimnis verbergt ihr vor mir?«, fragte er die uralten Zeichen. Eine Weile betrachtete er sie ruhig, ohne den Versuch einer Übersetzung zu machen. Erst, als er spürte, wie sein Geist in Trance verfiel, begann er sie laut aufzusagen.
    »Hong Shi tse mao-lu tie hai
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