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0692 - Herr der Schattenburg

0692 - Herr der Schattenburg

Titel: 0692 - Herr der Schattenburg
Autoren: Jason Dark
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Haus?
    Nein, ein Haus war es nicht, obgleich er es als ein Zeichen ansah. Das Ding war fast schwarz, es besaß auch Mauern, und die nach unten rinnenden Tropfen bewegten sich plötzlich anders. Entgegen der Schwerkraft liefen sie an der Scheibe hoch. Sie fanden ihren Weg in die Höhe, erreichten aber nicht den oberen Rand, sondern liefen, wenn sie einen bestimmten Punkt hinter sich gelassen hatten, in langen Linien wieder nach unten, dabei Spuren und Zeichen hinterlassend, die so etwas wie ein spitzes Dach bildeten oder einen Turm.
    Auch auf der anderen Seite der Scheibe gehorchten die Tropfen nicht mehr den alten Gesetzen. Sie hatten sich selbständig gemacht und zeichneten eine zweite Figur nach.
    Es war abermals ein Turm.
    Die beiden stachen dunkel und spitz hervor. Noch gab es keine Verbindung zwischen ihnen, aber das sollte sich sehr bald ändern, denn von zwei Richtungen rannen auch zwei Tropfen aufeinander zu, bis sie sich berührten und eine Linie geschaffen hatten.
    Das Verbindungsstück stand.
    Es war kein Traum. Für den Alten stand fest, daß ihm auf diese Art und Weise eine Nachricht überbracht werden sollte. Eine Nachricht, die eine bestimmte Bedeutung besaß.
    Er war sehr gespannt und hielt sogar für einen Moment den Atem an. Was würde noch geschehen?
    Würden die Tropfen ihm weitere Hinweise auf bestimmte Dinge geben.
    Noch immer hämmerte es hinter den Schläfen. Er hätte nicht mehr zu sagen gewußt, wie lange er in diesem Fahrzeug hockte, das ihm vorkam wie ein Gefängnis.
    Seltsamerweise fühlte er sich von der übrigen Welt nicht abgeschnitten. Er hatte erkannt, daß ihm jemand einen neuen Weg zeigen wollte. Den Weg, der nur ihm allein galt.
    Die Tropfen bewegten sich nicht mehr. Sie waren zur Ruhe gekommen, sie blieben jetzt bewegungslos auf dem Glas der Frontscheibe kleben, als hätte man sie dort gemalt.
    Und so blieb auch die Burg! Eine blasse Zeichnung auf der Scheibe, die etwas zu bedeuten hatte, da war er sich völlig sicher. Und er überlegte weiter.
    Keiner störte ihn. Im Fond des Wagens hockten die beiden Bestien bewegungslos, umschlossen von einem tiefen Dunkel, in dem nur ihre Augen leuchteten.
    Ihr strenger Raubtiergeruch schwängerte die Luft, aber sie selbst bewegten nicht einmal ihre Krallen.
    Der Weißbärtige dachte nach. Er starrte die Zeichnung an. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt, sie lagen auf seinen Oberschenkeln, und er spürte genau den Schweiß auf seiner Haut.
    Die Zeichnung, die Türme, die Verbindung zwischen ihnen - einfach die Burg.
    Eine Burg?
    Er bewegte seine Augen, er holte tief Luft, und plötzlich hatte er es. Ja, das war die Lösung.
    Die Burg, die Schattenburg!
    Er erinnerte sich. Er dachte an seinen großen Herrn und Meister, an den Atlanter.
    Semerias und die Schattenburg!
    Für einen Moment schloß er die Augen. Er hätte jubeln können, er tat es nicht. Aber er wußte, daß diese Zeichnung gleichzeitig ein Zeichen war. Die Schattenburg galt es zu finden. Sie mußte irgendwo sein, sie mußte es geschafft haben, gewisse Wege zu finden, um die aufzunehmen, die zu ihr gehörten.
    Nicht nur Semerias, auch die beiden Werwölfe!
    Der Weißbärtige nickte. Der Schauer floß wie eine wohlige Welle über seinen Rücken. Er beugte sich vor, streckte die Hand aus und flüsterte: »Ich weiß Bescheid. Ja, ich weiß Bescheid.«
    Dann wischte er mit der Fläche über die Scheibe. Er tat es mit langsamen Bewegungen, als wäre er ein Maler, der sich bei seiner Arbeit besonders Zeit ließ, um noch mehr Geld von seinem Kunden zu schinden. Und er schaute zu, wie die Türme der Burg verschwanden, wie alles ineinander verwischte, wie plötzlich die Tropfen liefen, aber nichts mehr zeichneten, sondern den üblichen Gesetzen folgten.
    Geschafft!
    Dann schaltete er das Gebläse ein. Der, summende Ton erfüllte den Wagen wie ein gewaltiges Rauschen, und er fuhr fahnengleich an den Scheiben in die Höhe.
    Er öffnete die Seitenscheibe.
    Die Nachtluft quirlte in den Wagen. Sie war frisch, sie wühlte die alte, abgestandene durcheinander, und der Alte war froh über diesen Austausch.
    Jetzt bewegten sich auch die beiden Bestien. Sie drückten ihre Oberkörper nach vorn, öffneten die Mäuler, als wollten sie mit den langen Zungen über den Nacken des Weißhaarigen lecken.
    Er drehte sich um.
    Die Gesichter standen dicht vor ihm wie gemalt. Seine Lippen zuckten, als er sprach.
    »Habt ihr es gesehen?« flüsterte er. »Habt ihr die Zeichnung an der Scheibe
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