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0686 - Engel der Finsternis

0686 - Engel der Finsternis

Titel: 0686 - Engel der Finsternis
Autoren: Claudia Kern
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Rücken spüre und mich plötzlich umdrehe, um die Beobachter zu sehen - aber nie ist jemand da.
    Ich glaube, dass Duane es auch spürt, denn heute stand er lange am Rande der kleinen Lichtung, auf der wir lagern, und sah in den Wald. Ich wollte fragen, wonach er sucht, aber dann fürchtete ich plötzlich seine Antwort. Wenn er die Beobachter nicht fühlt, bedeutet das vielleicht, dass ich den Verstand verliere, so wie mein Großvater, der in den letzten Jahren seines Lebens behauptete, von Engeln begleitet zu werden. An diese Möglichkeit darf ich noch nicht einmal denken.
    Aber wenn es die Beobachter wirklich gibt, was wollen sie von uns? Wieso zeigen sie sich nicht? Sicherlich haben sie keine Angst vor einer einzigen Frau und ihren drei Kindern! Es muss einen anderen Grund geben, doch selbst während ich diese Zeilen schreibe, begreife ich, wie unwahrscheinlich das klingt. Wir sind vollkommen allein in dieser unendlichen Wildnis. Selbst die Indianer, über die man sich so viel Schreckliches erzählt, hätten keinen Grund, uns tagelang zu verfolgen. Nein, ich muss mich irren. Hier ist niemand außer uns.
    Trotzdem drehe ich mich immer wieder um.
    ***
    20. September 1840
    Ich habe Fieber.
    ***
    ??. September 1840
    Ich weiß nicht, welches Datum wir heute haben, oder welchen Tag. Ist es überhaupt noch September? Das Fieber tobt in meinem Körper. Mir ist kalt, nein, mir ist heiß… Schreibeich das wirklich oder träume ich nur? In den Träumen bin ich in New York, manchmal auch in Oregon. Dort ist es warm. Ich trinke kühlen Eistee. Hier gibt es keinen Eistee.
    Emily hat früher immer Eistee gemacht… im Sommer… Sie ist unser Dienstmädchen und kommt aus Schottland. Als Kinder haben wir sie mit ihrem Dialekt aufgezogen. Das war gemein…
    Ich muss gesund werden. Die Kinder brauchen mich.
    Meine Augen brennen, und mein Hals tut so weh, dass ich kaum sprechen kann. Und wenn ich spreche, sage ich Dinge, die ich nicht sagen will. Seltsame Sätze ohne Sinn.
    Das Schreiben geht besser. Vielleicht weil ich milch muss eingesohlafen sein. Jetzt ist es Tag, aber ich weiß nicht mehr, was ich schreiben wollte.
    Ich habe Durst.
    Es gab einen wichtigen Grund, warum ich schreiben wollte. Ich halte die Feder und sehe, dass meine Fingernägel ganz schmutzig sind. Gut, dass Mutter nicht hier ist und mich sieht.
    Ich glaube, ich habe eben Vaters Stimme gehört. Vater ist tot.
    Vielleicht haben die Engel ihn auch gehört. Ich werde sie fragen, wenn ich zu Ende geschrieben habe.
    O ja, die Engel… ihretwegen wollte ich schreiben.
    Ich sehe sie jetzt auch, so wie Großvater. Zwei sind es. Sie stehen am Rand der Lichtung und beobachten mich. Manchmal sind es Engel, manchmal Indianer.
    Ich weiß nicht, wie das sein kann. Wie können Indianer, die so furchtbare Dinge tun, Engel sein?
    Vielleicht sind es finstere Engel.
    Sie stören mich nicht. Ich habe keine Angst vor ihnen.
    Duane hat das Gewehr aus dem Wagen geholt. Er sitzt neben mir und richtet es auf die Engel. Das Gewehr gehörte meinem Vater. Er sah keine Engel, als er starb.
    Nicht so wie ich.
    ***
    Mit diesen Worten brachen die Tagebuchaufzeichnungen von Katherine Dunbar ab. Zamorra schlug das Buch zu und legte es neben sich auf den leeren Flugzeugsitz. Einen Moment lang betrachtete er das Titelbild..
    Mythen und Legenden der amerikanischen Pioniere 1800 - 1899 zusammengestellt von Bill Fleming stand darauf.
    Zamorra lehnte sich im Sitz zurück und hing seinen Gedanken nach, während die schneebedeckte Bergkette langsam an seinem Fenster vorbeizog und das Brummen der Propeller die Gespräche seiner Mitreisenden übertönte.
    Er hatte schon lange nicht mehr an Bill Fleming, seinen einstmals besten Freund und Mitstreiter, gedacht. Zu viel war in den letzten Jahren passiert. Es war schwer genug, den Überblick über die Ereignisse in der Gegenwart zu behalten; für Erinnerungen blieb kaum noch Zeit.
    Manchmal brachen sie jedoch ungewollt wieder hervor, so wie in diesen Stunden, die Zamorra mit dem Lesen von Bills Studie verbracht hatte. Die Ereignisse, die zum Tod des Freundes geführt hatten, standen plötzlich so deutlich vor seinem inneren Auge, als wären sie erst gestern passiert.
    Bill hatte sich nach dem Tod seiner Freundin Manuela Ford vom Team der Dämonenjäger abgewandt und war unter den Einfluss von Zamorras Erzfeind Leonardo deMontagne geraten. Der Historiker hatte Leonardo sogar geholfen, die magische Schutzbarriere, die rund um Château Montagne bestand, zu
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