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0682 - Trink das Schlangenblut

0682 - Trink das Schlangenblut

Titel: 0682 - Trink das Schlangenblut
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Majtah hielt den Kelch seinem Artgenossen Rani entgegen.
    Verständnislos beobachtete Gianna das eigenartige Geschehen.
    Rani zog etwas unter seinem Leopardenfell hervor - eine unterarmlange Messingfigur, die eine Schlange darstellte. Ebenfalls eine Kobra, wie Gianna zu erkennen glaubte.
    In Ranis Hand erwachte die Messingschlange zu unheimlichem Leben. Sie bewegte sich, riss das Maul auf. Die spitzen Giftzähne blitzten. Rani hielt die Kobra so an den Kelchrand, dass sie ihre Zähne hineinzuschlagen versuchte. Gifttropfen spritzten in den Kelch.
    Im nächsten Moment packte Rani auch mit der zweiten Hand zu - und brach die Messingschlange in der Mitte durch!
    Eine schwarze Flüssigkeit schoss aus den beiden Körperhälften hervor und sprudelte in den Kelch. Achtlos ließ Rani die beiden Schlangenhälften fallen, die schon wieder hartes Messing waren, als sie auf den Boden polterten, und rührte dann mit einem Finger in der Flüssigkeit, mischte die schwarze Substanz mit dem Gift aus den Zähnen.
    Dann hielt Majtah den Kelch Gianna Torcero entgegen.
    Commander Bishop nickte ihr gönnerhaft zu.
    »Trink das Schlangenblut!«, verlangte er.
    ***
    Sie keuchte entsetzt auf. »Nein«, stieß sie erschrocken hervor. »Nein! Niemals!«
    »Trink!«
    »Davon war nicht die Rede!«, schrie sie. »Sie haben mir versprochen…«
    »Versprochen«, unterbrach er sie scharf, »habe ich gar nichts. Ich habe dir gesagt, dass du weiterleben darfst, wenn du kooperierst. Und du darfst weiterleben.«
    »Aber…« Sie wich immer weiter zurück bis zur Balkontür des Wohnzimmers. Schritt für Schritt. »Aber das Schlangengift…«
    »Es wird dich nicht töten. Du wirst leben.«
    Sie schüttelte den Kopf. Hatte beinahe die Tür erreicht. »Ich habe getan, was Sie wollten. Ich habe Ihnen das Geheimnis verraten! Lassen Sie mich endlich in Ruhe!«
    »Du wirst trinken«, sagte Bishop. »Und danach siehst du die ganze Welt mit völlig anderen Augen. Glaube mir - du wirst nicht sterben. Oder denkst du, Majtah und Rani seien tot?«
    Sie stöhnte auf. »Es sind Ungeheuer!«
    »Es sind wunderbare Wesen«, widersprach Bishop. »Trink endlich.«
    »Nein…!« Sie wandte sich um, stürmte zum Balkon hinaus. Hier hatte ihr Fluchtweg sein Ende. Sie blieb am Geländer stehen, starrte nach unten.
    Es reichte nicht. Ein Sprung in die Tiefe würde sie nicht töten. Nur verletzen. Möglicherweise irreparabel.
    Dieser Weg war ihr also keine Hilfe.
    Wenn ihr wenigstens noch der »selige Krake« hätte helfen können…! Aber der war von der verfluchten Dämonenjägerin ermordet worden.
    Noch ehe sie zu einer Entscheidung kam, war Rani bei ihr. Er packte mit seinen Krallenhänden zu, hielt sie fest, zerrte sie ins Wohnzimmer zurück. Das ging blitzschnell. Selbst wenn Nachbarn in genau diesem Augenblick herübergeschaut haben sollten - was hätten sie sehen können? Nur etwas, das sich mit unglaublicher Geschwindigkeit bewegte. So schnell wie eine Schlange, die auf ihre Beute zustößt…
    Oder sogar noch schneller !
    Schon stand sie wieder vor Majtah und Bishop. Ihre Beine gaben unter ihr nach, aber Rani hielt sie fest und verhinderte, dass sie stürzte.
    »Trink das Schlangenblut!«, wiederholte Bishop.
    »Nein!«
    »Dann wirst du sterben!«
    Sie schrie ihn an. »Verräter! Lügner! Mörder!« Aber Bishop lachte nur. Er gab den beiden Schuppigen einen Wink.
    Rani griff nach ihrem Gesicht, zwang ihre Kiefer auseinander. Und Majtah setzte ihr den Kelch mit dem vergifteten Schlangenblut an die Lippen. Mit der anderen Hand hielt er ihr plötzlich die Nase zu.
    Sie musste atmen, konnte es aber nicht! Sie musste nach Luft schnappen - und statt Luft bekam sie das Schlangenblut in den offenen Mund geschüttet.
    Ein Teil strömte an ihrem Kinn und an ihrem Körper abwärts. Aber es blieb genug, das sie schlucken musste. Sie hustete verzweifelt, verkrampfte sich, weil ein Teil der schauderhaften Flüssigkeit in ihre Luftröhre geriet. Rani ließ sie los. Sie hustete sich fast die Seele aus dem Leib, würgte, versuchte das Schlangenblut wieder auszuspucken.
    Das gelang ihr nicht.
    Es blieb in ihrem Körper.
    Es begann zu brennen und zu toben wie ein Feuerorkan.
    Sie schrie.
    Sie verstummte.
    Sie hörte auf, Mensch zu sein.
    Aber es war nicht der Tod, der nach ihr griff.
    Der Tod wäre nur gnädig zu ihr gewesen.
    Das, was sie erfasste und ausfüllte, war viel schöner. Viel großartiger. Es nahm ihr das Bewusstsein, und als sie wieder erwachte, war sie anders.
    ***
    Nick
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