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0674 - Der Wald des Teufels

0674 - Der Wald des Teufels

Titel: 0674 - Der Wald des Teufels
Autoren: Claudia Kern
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stockend einen Text vorzulesen. Das Wesen verstand die Sprache nicht, aber es fühlte, wie ein schwarzmagisches Band entstand, das langsam auf die Ruine zukroch: Der Mensch wollte den schlafenden Rachegeist wecken!
    Versteht er denn nicht, das dies auch sein Tod sein wird? dachte das Wesen entsetzt.
    Plötzlich zuckte es zusammen.
    Jemand versuchte, die Quelle seiner Kraft zu schließen!
    Das Wesen heulte hilflos auf. Der Wall, den es um den Geist aufgeschichtet hatte, brach an zu vielen Stellen auf. Es konnte nicht überall sein!
    Voller Panik verstärkte es den Wind rund um die Quelle zu einem Sturm. Dann streckte es die Hände dem Himmel entgegen und brüllte. Rund um die Lichtung wurden Bäume aus dem Boden gerissen und hoch in die Luft geschleudert. Dort verharrten sie.
    Das Wesen hielt die Hände weiter ausgestreckt und sah den zweiten Mann, der keine Beschwörungen vortrug, abwartend an. Der begriff die stumme Warnung und faßte den anderen Menschen am Arm. Doch dieser riß sich los und las ungerührt weiter.
    Das Wesen senkte die Hände.
    Wie riesige Pfeile schossen die Bäume auf die magische Barriere zu. Jetzt konnte das Wesen nur noch hoffen, daß einer von ihnen zufällig auf eine Schwachstelle stieß.
    Fast gleichzeitig erreichten sie das Pentagramm und kollidierten mit der Barriere. Die gleiche Magie, die sie angetrieben hatte, stieß sie jetzt ab und schleuderte sie zurück an den Rand der Lichtung. Die hölzernen Geschosse schlugen mit ohrenbetäubenden Lärm in den Wald ein. Steine, Blätter und Äste wurden hochgeschleudert und regneten zurück auf den Boden. Das Wesen bemerkte all dies nicht. Es starrte verzweifelt auf das nach wie vor intakte Pentagramm, in dem einer der Männer immer noch las, während der andere sein Gesicht in den Händen verbarg In dieser Sekunde versiegte die Quelle der Kraft.
    Das Wesen wurde sterblich.
    Und konnte die Barriere mühelos durchdringen.
    ***
    Der Geist erwachte.
    Er konnte nicht sagen, ob er geschlafen hatte, während die Jahrhunderte an ihm vorbeizogen. Doch jetzt, wo er zum fahlen Licht des Mondes aufsah, wußte er, daß er wach war. Seine Sinne schärften sich und mit ihnen kam die Wut.
    Kehrte mit der unverändert ungestümen Wucht von damals - damals?
    - zurück.
    Es waren Menschen in seinem Wald.
    Menschen!
    Menschen waren auch jene gewesen, die damals ihre Türen verschlossen gehalten hatten, als das Kloster brannte, als die Mönche starben, als die Wölfe kamen. Menschen, die durch ihre Feigheit das Sterben zugelassen hatten.
    »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!« Aber als er selbst ihnen der nächste war, hatten sie ihn nicht geliebt. Sie hatten zugelassen, daß er starb - nicht gleich unter den Zähnen der Wölfe, sondern später, trotz der Hilfe eines unbegreiflichen Wesens, das dennoch voller Schuld war.
    Hasse deinen Nächsten!
    Er haßte die Menschen. Die leben durften, während er sterben mußte.
    Der Geist fühlte ihre Gedanken und das Schlagen ihrer Herzen. Sie waren ganz nah…
    Unendlich langsam richtete er sich auf und erhob seinen Geistkörper über die Ruine.
    Er sammelte seine Macht, wartete, bis sie ihn ganz und gar erfüllte.
    Dann verließ er das steinerne Mahnmal und brüllte seinen Haß hinaus in den nächtlichen Himmel.
    Der Geist war in die Welt zurückgekehrt.
    ***
    Nicole schrie auf, als sie gegen einen Baumstamm prallte und zu Boden ging. Einen Moment blieb sie sitzen und rieb sich die schmerzende Schulter. Du hättest mich vorwarnen können, sagte sie in Gedanken zu dem Wesen, das sich offensichtlich entschieden hatte, ihren Körper an sie zurückzugeben.
    Der Vorgang hatte sie in diesem Augenblick völlig überrascht. Mitten im Lauf. Gerade noch hatte sie, wie inzwischen gewohnt, durch einen Baum hindurch abkürzen wollen, als der Baum jäh existent wurde.
    Nein, umgekehrt: sie war wieder existent geworden!
    Langsam stand sie auf. Es war ein seltsames Gefühl, nach diesen Stunden der Körperlosigkeit plötzlich wieder die Schwerkraft zu spüren. Aber sie kam nicht dazu, es zu genießen, denn im gleichen Moment hörte sie den Schrei des Wesens.
    Nicole rannte los, drang durch einige dichte Büsche und stand im nächsten Augenblick am Rande einer Lichtung.
    Und warf sich zu Boden, als Baumstämme wie Granaten hinter ihr einschlugen. Sie schützte den Kopf mit den Armen und hob vorsichtig den Blick, als das Krachen und Donnern nachließ. Sie sah die Ruine, die beiden Männer im Pentagramm und das Wesen. Erst dann entdeckte
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