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0674 - Der Wald des Teufels

0674 - Der Wald des Teufels

Titel: 0674 - Der Wald des Teufels
Autoren: Claudia Kern
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ohnehin nicht auf ihn gehört. Statt dessen begann er damit, die Holzstücke auf die Ladefläche zu werfen.
    Einer seiner Kollegen, ein junger Mann namens Frank Therborn, von dem man munkelte, er habe schon im Gefängnis gesessen, sah zu ihm herüber. »Hey, Robbie. Laß den Scheiß. Es muß doch noch Arbeit für morgen übrig bleiben.«
    Robert schüttelte den Kopf. »Morgen ist der große Baum dran«, sagte er schwerfällig. »Und übermorgen… auch. Weil doch der Sturm so viel kaputt gemacht hat.«
    Bernd Wahrmann, der dritte Waldarbeiter, dessen Vorliebe für alkoholische Getränke ihm buchstäblich ins Gesicht geschrieben stand, grinste: »Richtig, Robbie. Also arbeite schön weiter. Wir passen auf, daß du auch nichts falsch machst. In Ordnung?«
    Robert runzelte die Stirn. Seine übergroßen Hände, die gerade so in die Arbeitshandschuhe paßten, öffneten und schlossen sich mechanisch, während er angestrengt nachdachte. Bernd nahm ihn gerne auf den Arm, hatte ihn schon oft in die Stadt geschickt, um einen Eimer Luft für die Reifen des Lastwagens zu kaufen oder eine Linkshänderaxt aus dem Lager zu holen. Andererseits hatte der ältere Mann natürlich auch recht. Robert machte viele Fehler, auch wenn er sich bemühte, alles richtig zu machen. Seine Körpergröße von mehr als zwei Metern und seine Bärenkräfte halfen ihm zwar bei der Arbeit, ließen ihn im Umgang mit anderen jedoch tolpatschig und grobschlächtig erscheinen. Deshalb, so glaubte er, war er auf die Hilfe seiner Freunde angewiesen, die ihm sagten, wenn er sich falsch verhielt. Nur war es manchmal nicht klar, ob sie ihm wirklich helfen wollten…
    »Bernd?« fragte er vorsichtig, »wieso soll denn nur ich arbeiten?«
    Der ältere Waldarbeiter zuckte die Schultern und nahm einen Schluck Bier.
    »Ist doch klar«, kam ihm sein Kumpel zu Hilfe. »Weil du soviel Scheiße baust, daß zwei Mann auf dich aufpassen müssen. Wie damals in der Kneipe, weißt du noch?«
    Robert senkte den Kopf. Natürlich hatte er das nicht vergessen. Damals hatten Frank und Bernd ihn überredet, Schnaps zu trinken. Zuerst war er fröhlich geworden, hatte mehr gewollt. Schließlich war seine Stimmung jedoch aus irgendeinem Grund, der jetzt völlig unzureichend erschien, umgeschlagen und er hatte die Einrichtung der kleinen Kneipe zertrümmert. Frank und Bernd war es damals gelungen, den Wirt von einer Anzeige abzubringen. Robert hatte seitdem nie wieder Alkohol getrunken.
    Er hob den Kopf und griff sich das nächste Holzstück. »Ihr habt recht«, sagte er langsam. »Wenn ihr auf mich aufpaßt, mache ich nichts falsch. Ihr seid meine Freunde.«
    Mechanisch warf er die Stücke auf den Laster, während er seinen Gedanken nachhing. Manchmal wünschte er sich, so wie Frank und Bernd zu sein, ganz normale Menschen, zu denen nicht einmal die Woche ein Sozialarbeiter kam, um zu sehen, ob die Wohnung sauber und der Kühlschrank aufgefüllt war. Robert wußte, daß es nur zwei Wörter waren, die ihn von den normalen Menschen unterschieden. Zwei Wörter, die sein ganzes Leben bestimmten: Geistig zurückgeblieben.
    Frank räusperte sich und stand auf. »Na ja, wir… äh… können ja auf dich aufpassen, während wir dir beim Beladen helfen, nicht wahr?«
    Bernd sah ihn verwirrt an. »Bist du bescheuert? Laß ihn doch die Arbeit machen, wenn er so wild darauf ist.«
    Der jüngere Mann antwortete nicht, sondern zog ihn am Kragen von dem Baumstamm hoch, auf dem er gesessen hatte.
    »Robbie hält uns für seine Freunde«, flüsterte er. »Ich weiß ja nicht, wie's dir geht, aber ich denke, wir sollten damit aufhören, ihn ständig zu verarschen. Das ist nicht okay.«
    »Er merkt das doch überhaupt nicht. Sieh doch…«
    Bernd brach ab und sah sich um. Wenn man sich jeden Tag im Wald aufhielt, kannte man die Geräusche, die es dort gab. Und man wußte auch, wenn etwas nicht stimmte; so wie jetzt.
    Auch Frank war die Veränderung nicht entgangen. Überall um sie herum knackte es im Unterholz. Im nächsten Moment wimmelte es auf der kleinen Lichtung bereits von weißen Mützen und grünen Uniformen.
    Polizei.
    »Auf den Boden!«
    »Los! Runter!«
    »Hinlegen!«
    Es waren mindestens zehn Polizisten, die mit der Waffe in der Hand auf die drei Männer einschrien.
    Frank ließ sich fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Aus den Augenwinkeln sah er, daß Robbie und Bernd seinem Beispiel folgten. Verdammt, dachte er, während ihm das Herz bis zum Hals klopfte, wieso machen die so
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