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0674 - Der Wald des Teufels

0674 - Der Wald des Teufels

Titel: 0674 - Der Wald des Teufels
Autoren: Claudia Kern
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Kern sich durch sein am Reißbrett entworfenes Schachbrettmuster auszeichnete; nach dem 2. Weltkrieg bemühten sich dann Stadtväter und Stadträte nach besten Kräften höchst erfolgreich, jenes erstklassige Gründungskonzept des Mittelalters in eine verkehrstechnische Katastrophe der Neuzeit umzuwandeln. Vor Jahren hatte Zamorra diese gründliche Fehlplanung bei einem seiner Fälle erlebt und erlitten und wunderte sich heute noch, wie aus einer einstmals gut durchdachten Stadtplanung jetzt ein Chaos aus zum Teil aberwitziger und völlig konzeptloser Verkehrsführung entstehen konnte, in der Problemlösungen allenfalls in zusätzlicher Postierung von immer mehr meist überflüssiger und aggressionsfördernd dichtgestaffelter Ampeln gesehen wurde. [1]
    Was die scheinbar kollektiv masochistischen Lippstädter nicht daran hinderte, ihre planerischen Geistesriesen regelmäßig wiederzuwählen und alljährlich ein Altstadtfest zu feiern, obgleich von der Altstadt kaum etwas übriggeblieben war, weil sie zwar vom Krieg, nicht aber von der anschließenden Stadt›sanierung‹ verschont geblieben war - in Form von Abrißbirnen, Baggern und in der Folge stilistisch nicht harmonierenden Neubauten… Nichtsdestotrotz warb peinlicherweise an der nahen Autobahn ein Schild für die längst nicht mehr existierende »historische Altstadt«…
    Auch wenn ihn selbst das alles kaum berühren mußte, fragte sich der Franzose Zamorra, ob sich gezielte Fehlentscheidung dieser Art auch im Osten seines vor einem Jahrzehnt wiedervereinigten Nachbarlandes Deutschland wiederholen würden -er hoffte, daß dort mehr Verstand walten durfte. -In Fürstenwald sah das noch wieder anders aus. Hier schien eine Entwicklung des Ortes eher im umgekehrten Sinn abzulaufen. Während andere Dörfer und Städte sich peu à peu vergrößerten und flächenmäßig ausdehnten, schien dieser Ort über die Jahrhunderte hinweg immer weiter vom Wald zurückzuweichen. Die Bewohner des Dorfes hatten offenbar Gebäude aufgegeben und die länger werdenden Wege zum Fluß in Kauf genommen, nur um nicht in der Nähe des Waldes zu leben. Ende des siebzehnten Jahrhunderts stoppte dieser Rückzug schließlich. Fürstenwald kam zur Ruhe.
    Nicole sah auf. »Das sieht so aus, als hätten die Bewohner vor dem Wald Angst gehabt… oder vor etwas im Wald…«
    »Wo entsteht das Kino?« fragte Zamorra.
    Ludmilla legte den Finger auf einen Teil der Karte. »Genau hier.«
    Der Parapsychologe hob überrascht die Augenbrauen. Die Baustelle lag mitten in dem Gebiet, aus dem sich Fürstenwald zurückgezogen hatte.
    »Zum ersten Mal seit Hunderten von Jahren wagt sich der Ort wieder in den Wald«, fuhr die Russin fort. »Selbst in DDR-Zeiten wurde hier nicht gebaut. Die Leute haben die Vergangenheit immer respektiert und sich an ihre Grenzen gehalten. Daß sie das jetzt nicht mehr tun, ist meiner Ansicht nach der Grund für das Verschwinden der Kinder.«
    Zamorra nickte langsam. Ludmillas Theorie ergab zwar Sinn, aber sie hatte keine Beweise. Es waren nur Annahmen, die sie bei ihren Studien entdeckt hatte und mit den Entführungen in Verbindung brachte. Zur Polizei konnte sie damit in jedem Fall nicht gehen. Die hätten sie nur ausgelacht und gingen ohnehin davon aus, den Täter bereits gefaßt zu haben - eben jenen Mann, den Zamorra und Nicole gesehen hatten. Vielleicht stimmte das sogar und die Russin war nur das Opfer ihrer eigenen Hirngespinste. Aber möglicherweise lauerte der wahre Täter noch immer im Wald - auf der Suche nach einem Opfer.
    Dennoch blieb es eine sehr gewagte Theorie, das Verschwinden der Kinder mit jener Legende vom »schwarzen Mann« in Verbindung zu bringen. Weshalb wurde dieser Bereich gemieden und respektiert? Was fürchteten die Menschen? Ob es diese Legendengestalt war, blieb selbst für einen Mann wie Zamorra zweifelhaft.
    »Waren Sie jemals dort?« fragte er mit einem Blick auf den Wald.
    Ludmilla schüttelte rasch den Kopf. »Nein, nie«, sagte sie schnell und heftig. »Ich bin eine reine Theoretikerin. Die Praxis überlasse ich lieber Leuten wie Ihnen. Sie haben mehr Erfahrung mit solchen… Wesen.«
    »Was für Wesen?«
    Die alte Frau senkte den Blick.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte sie.
    Aber Nicole wußte, daß sie log…
    ***
    Harry Bender spielte ungeduldig mit einem silbernen Brieföffner, während einer der zwei Männer, die vor seinem Schreibtisch standen, seine Geschichte beendete.
    »Sehen Sie, Herr Bender, die Polizei hat uns noch nicht
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