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067 - Das Maedchen in der Pestgrube

067 - Das Maedchen in der Pestgrube

Titel: 067 - Das Maedchen in der Pestgrube
Autoren: Neal Davenport
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Dunkelheit noch eine Zigarette und schlief dann endlich ein.
     

     

Irgendwann in der Nacht schreckte ich aus einem Alptraum hoch. Schweißgebadet richtete ich mich auf.
    Ich hatte von Eva geträumt. Sie hatte völlig starr inmitten einer brüllenden, gesichtslosen Masse gestanden. Das Schreien war immer lauter geworden. Es hallte jetzt noch in meinen Ohren. Dutzende von Armen hatten nach ihr gegriffen, sich in ihrem langen blonden Haar verkrallt, an ihren Schultern gerissen und sie zu Boden werfen wollen. Ihr Mund war zu einem Schrei weit geöffnet gewesen, und sie hatte mir die rechte Hand entgegengestreckt. Ich hatte zu ihr gewollt, doch etwas hatte mich zurückgehalten. Immer wieder hatte ich mich durch die gesichtslose Masse zu drängen versucht, doch so sehr ich mich auch bemühte, ich hatte die Wand aus Menschenleibern nicht durchbrechen können. Ich hörte sie schreien, sah die großen Augen, die um Hilfe flehten, und die Hände, die sie mir entgegenstreckte. Dann wurde sie von der hysterisch brüllenden Menge verschlungen. Sie schlug heftig um sich, und plötzlich konnte ich sie nicht mehr sehen. Ich hörte nur noch ihr Schreien, das immer leiser wurde, bis es ganz erstarb.
    Ich kroch aus dem Bett und ging im Zimmer auf und ab. Es war noch dunkel. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? Ich versuchte mich an den Ort des Geschehnisses zu erinnern, doch es war alles zu undeutlich gewesen. Im Hintergrund hatte ich einige winzige Häuser gesehen.
    Es passierte mir in letzter Zeit häufig, daß ich seltsame Träume hatte, die später eine ganz bestimmte Bedeutung erlangten.
    Mein Verdacht verstärkte sich, daß mit dem Mädchen etwas nicht stimmte.
    Ich versuchte nochmals einzuschlafen, was mir aber nicht gelang. Es wurde schon wieder hell im Zimmer. Schließlich hielt ich es im Bett nicht mehr aus. Ich stand auf und öffnete das Fenster. Angenehme frische Luft drang ins Zimmer. Ich beugte mich vor und sah auf die Straße. Kein Mensch war zu sehen. Tief atmete ich ein und blieb einige Minuten stehen. Dann blickte ich wieder auf die Straße, und da sah ich sie. Es gab keinen Zweifel: Es war Eva. Sie ging langsam die Straße entlang. Diesmal trug sie das Haar offen. Es wehte wie ein Schleier hinter ihr her. Vor dem Haus blieb sie stehen, griff in eine Rocktasche und holte einen Schlüssel hervor. Sie sperrte die Tür auf und verschwand im Haus.
    Ich durchquerte mein Zimmer und öffnete die Tür einen Spalt. Leise Schritte kamen die Treppe hoch. Ich öffnete die Tür noch ein Stück weiter und blickte auf den Gang hinaus.
    Das Mädchen ging an mir vorbei. Ihre Augen waren geschlossen.
    Ich trat auf den Gang und sah ihr nach. Am Ende des Ganges blieb sie stehen. Unendlich langsam – wie in Zeitlupe – drehte sie den Kopf herum. Ihre Augen waren noch immer geschlossen, doch ihre Nasenflügel blähten sich leicht. Sie atmete rascher und preßte beide Hände gegen den vollen Busen. Ich ging auf sie zu. Ein unangenehmer Geruch strömte von ihr aus. Sie roch nach Moder, nach ungelüfteten Räumen. Ihr Haar war zerzaust und voller Spinnenfäden.
    „Eva“, sagte ich leise und wollte nach ihr greifen, doch sie wich mir aus, griff blitzschnell nach der Türklinke, riß die Tür auf und sprang in den dahinterliegenden Raum, der völlig dunkel war. Die Tür flog zu.
    Ich drückte die Klinke nieder, doch die Tür ließ sich nicht öffnen.
    Wo war das Mädchen geblieben?
    Ich blieb einige Sekunden lang stehen und versuchte nochmals, die Tür zu öffnen, hatte jedoch keinen Erfolg. Es war ruhig, kein Geräusch war zu hören.
    Ich ging den Gang entlang und stieg die Treppe hinunter. Helnweins Schlafzimmer lag neben dem Wohnzimmer. Ich klopfte an die Tür. Helnwein antwortete nicht. Ich drückte die Klinke herunter. Die Tür schwang lautlos auf. Ich knipste das Licht an. Helnweins Bett war unbenutzt.
    Ich trat ins Wohnzimmer, und da sah ich Helnwein.
    „Guten Morgen“, sagte ich laut, doch Helnwein reagierte nicht. Er schlief ruhig weiter.
    „Helnwein!“
    Ich blieb neben ihm stehen. Seine hagere Gestalt war zusammengesunken, und er schnarchte leise. Ich rüttelte an seinen Schultern, doch er war nicht zu wecken. Ich schüttelte ihn stärker, und er brummte unwirsch.
    „Aufwachen!“ sagte ich laut.
    Endlich schlug er die Augen auf und sah mich verwundert an.
    „Was ist los?“ fragte er verschlafen.
    „Das möchte ich gern von Ihnen wissen“, sagte ich grimmig. „Weshalb schlafen Sie hier und nicht in Ihrem
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