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067 - Das Maedchen in der Pestgrube

067 - Das Maedchen in der Pestgrube

Titel: 067 - Das Maedchen in der Pestgrube
Autoren: Neal Davenport
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vor mir. Ich biß mir auf die Unterlippe, torkelte an der zersplitterten Figur vorbei, fiel die Stufen hinunter und riß mir die Hände blutig.
    Einige Minuten blieb ich liegen, dann setzte ich mich wieder auf, erhob mich, taumelte in den Garten, hielt mich an einem Ast fest und schloß die Augen. Meine Kehle brannte, und die Schmerzen wurden unerträglich. Langsam ging ich weiter, stolperte über einen Stein und stürzte zu Boden.
    Ich war rettungslos verloren, denn ich war zu schwach, um Hilfe zu holen.
    Die Minuten krochen langsam wie Schnecken dahin. Die Schmerzen wurden stärker. Ich schrie, doch niemand hörte mich. Aber plötzlich näherten sich Schritte. Sie kamen vom Haus her auf mich zu. Mühsam hob ich den Kopf.
    Es war Helnwein. An ihn hatte ich nicht mehr gedacht. Ich hatte ihn völlig vergessen.
    Er blieb vor mir stehen. Sein Gesicht war leer. Er sah aus, als wäre er hypnotisiert.
    „Man soll nicht immer alles glauben“, sagte Helnwein. Seine Stimme klang tonlos. „Manchmal erlauben es die Umstände nicht, daß man sein wahres Gesicht zeigt. Sie müssen noch viel lernen, Dorian Hunter.“
    Was hatte das zu bedeuten?
    Helnwein bückte sich und zog mit einer blauen Schneiderkreide einen Kreis um mich.
    Helnwein trat in den Kreis und schloß ihn. Dann streckte er die Hand mit der Kreide aus, malte Zeichen auf meine Stirn, griff in die Tasche, holte ein kleines Fläschchen hervor, träufelte etwas von der farblosen Flüssigkeit auf einen Wattebausch und betupfte mein Gesicht und meinen Hals. Anschließend öffnete er mein Hemd und half mir aus Rock und Hose. Ich konnte ihn nicht sehr bei seinen Bemühungen unterstützen. Er rieb meinen ganzen Körper mit der hellen Flüssigkeit ein.
    Nach fünf Minuten fing mein Körper zu glühen an. Ich schrie vor Schmerzen auf.
    „Trinken Sie!“ sagte er und hielt mir das Fläschchen an die Lippen.
    Ich trank die scharf schmeckende Flüssigkeit und glaubte, daß mein Inneres verbrennen würde.
    Mein Körper war in Schweiß gebadet. Ich brüllte noch einmal, dann fiel ich in Ohnmacht.
     

     

Als ich erwachte, war es dämmrig geworden. Die Bäume warfen lange Schatten. Ich schlug die Augen auf. Helnwein stand noch immer wie eine Statue vor mir.
    Ich setzte mich auf. Die Schmerzen waren verschwunden, und meine Haut war glatt: Keine Pestbeulen, keine schwarzen Flecken waren mehr zu sehen.
    „Helnwein!“ rief ich. „Helnwein!“
    Seine Lippen bewegten sich leicht.
    „Feinde können Feinde sein“, sagte er. „Und Freunde können Freunde sein. Und manchmal bleibt einem Freund keine andere Wahl. Er muß als Feind auftreten. Denken Sie daran, Dorian Hunter.“
    Ich stand auf und schüttelte Helnwein. Nach einiger Zeit kam er zu sich.
    „Wo bin ich?“ fragte er überrascht und blickte mich an. „Sie sind ja nackt!“
    Ich kleidete mich an.
    „Was ist Ihre letzte Erinnerung, Helnwein?“ fragte ich.
    Er runzelte die Stirn. „Ich war in Sorge um Sie und schlich um das Haus der Zamis’. Da wurde ich gefangengenommen. Sie sperrten mich in ein Zimmer. Dann kam Michael Zamis zu mir, und ich wurde ohnmächtig. Ich erwachte erst in diesem Augenblick. Können Sie mir dafür eine Erklärung geben?“
    Ich konnte schon, aber ich wollte nicht. Mir war klar, wem ich mein Leben verdankte: Olivaro. Da Asmodi sich persönlich eingeschaltet hatte und er sich nicht hatte verraten wollen, war ihm keine andere Wahl geblieben. Er hatte sich auf Asmodis Seite stellen und auch mich vernichten müssen. Irgendwie war es ihm aber gelungen, sich mit Helnwein in Verbindung zu setzen. Er hatte ihn hypnotisiert und ihm das magische Mittel gegeben, das mich von der Pest geheilt hatte.
    „Ach ja“, sagte Helnwein. „Da fällt mir etwas ein. Ich weiß aber nicht, wer es mir sagte. Ich soll Ihnen noch etwas ausrichten.“
    Er legte seine Stirn in Falten.
    „Was sollen Sie mir sagen?“
    „Jetzt sind wir quitt. Verstehen Sie, was das zu bedeuten hat?“
    Ich verstand es. Ab nun konnte ich nicht mehr unbedingt mit Olivaros Hilfe rechnen.
    „Wollen Sie mir nicht endlich erzählen, was geschehen ist, Dorian?“ fragte Helnwein.
    „Später, Helnwein“, sagte ich. „Später.“
    Wir verließen den Garten, und ich warf dem Haus einen letzten Blick zu.
    Die Familie Zamis war ausgerottet. Das war nicht mein Verdienst, aber Coco würde annehmen, daß ich hinter dem Tod ihrer Familie steckte.
    Eigentlich stand ich wieder am Beginn. Doch der Kampf gegen die Dämonen würde weitergehen. Und
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