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0660 - Gefangene der Zeit

0660 - Gefangene der Zeit

Titel: 0660 - Gefangene der Zeit
Autoren: Claudia Kern
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direkt in die Augen sah. Der Uniformierte trat einen weiteren Schritt auf das Versteck zu und blinzelte unsicher.
    Er spürt, daß etwas nicht stimmt, dachte Ted, aber er weiß nicht, was es ist. Der Lauf des Gewehrs befand sich nur noch wenige Zentimeter vom Arm des Reporters entfernt. Wenn er jetzt zupackte…
    »Alles klar?« fragte eine Stimme von der Tür her.
    »Ja, Lieutenant, niemand zu sehen.«
    »Was sagt der Wärmesucher?«
    Der Uniformierte, der vor Ted stand, sah auf einen kleinen Monitor, der wie eine Armbanduhr an seinem Handgelenk befestigt war.
    »Nichts. Ich sehe nur die Ausschläge, die von uns stammen.«
    Der Anführer nickte zufrieden. »Geht zurück auf eure Posten, Jungs.«
    Die Soldaten nickten und verließen ohne einen weiteren Blick den Kellerraum.
    Ted stieß erleichtert den angehaltenen Atem aus.
    Zumindest hatte er sich der Gefangennahme erst einmal entziehen können, aber dafür hatte er keine Ahnung, was sich auf dieser neuen Erde abspielte.
    Jedoch stieg langsam der Verdacht in ihm auf, daß sie einen furchtbaren Fehler begangen hatten.
    ***
    Stygia lachte laut auf und lehnte sich auf ihrem knöchernen Thron zurück. Dieser Thron war zwar nicht sonderlich bequem, aber die Tradition verlangte, daß sie darauf saß, wenn sie Hof hielt.
    So wie jetzt.
    Vor der Fürstin der Finsternis knieten fünf Dämonen, die sie in einem, wie sie mit der für sie typischen Arroganz zugeben mußte, Geniestreich zu Generälen in diesem Krieg ernannt hatte. Die Dämonen hatten ihr die unerwartete Ehrung mit totaler Loyalität gedankt. Manchmal, sinnierte Stygia, war es eben doch gut, mit Traditionen zu brechen und etwas neues zu probieren.
    Eine Knochenspitze stach ihr in den Rücken. Die Höllenfürstin seufzte. Als nächstes war der Thron dran…
    »So«, sagte sie selbstzufrieden, während sie spielerisch nach einem niederen Geist schlug, der ihren Weinkelch auffüllen wollte, »was macht die Front?«
    Go'ken, der Dämon, der direkt vor ihr kniete, nackt, wie es sich in Gegenwart der Fürstin geziemte, senkte den Kopf. »Wir sind siegreich, wo auch immer unsere glorreichen Todesschwadronen erscheinen«, sagte er stolz. »Die Menschen fliehen in Panik vor uns. Sie leisten kaum noch Widerstand. Und wenn doch«, fügte er grinsend hinzu und ballte die behandschuhte Klaue zu einer Faust, »zerquetschen wir sie wie lästige Käfer.«
    Stygia lächelte. Go'ken schien sich in seiner Rolle zu gefallen, und das gefiel wiederum Stygia, die wußte, daß zufriedene Untertanen keine Revolution anzetteln.
    Sie öffnete den Mund, um ihn entsprechend zu loben, aber im gleichen Moment sagte eine Stimme schneidend: »Oh schöne neue Welt, die solche Bürger hat.«
    Stygia fuhr herum. Hinter ihr, eine Hand lässig auf den Knochenthron gelegt, stand Asmodis. Wie hatte der alte Fuchs es geschafft, unbemerkt einzudringen? Er mußte immer noch Wege kennen, auf denen er sich in den sieben Kreisen der Hölle bewegen konnte, ohne entdeckt zu werden.
    Natürlich hielt er sich nicht an die Etikette und trug Kleidung, obgleich ihm klar sein mußte, damit gegen Stygias höfisches Protokoll zu verstoßen und sie damit zu provozieren.
    Er kicherte spöttisch. »Shakespeare, falls du das Zitat nicht erkannt hast, wovon ich mal ausgehe. ›Der Sturm‹, um genau zu sein.«
    Der ehemalige Fürst der Finsternis, der den Schwefelklüften vor einigen Jahren den Rücken gekehrt hatte, sah sie kalt an, und Stygia konnte nicht verhindern, daß ihr unwillkürlich ein Schauer über den Rücken lief. Seine Aura war immer noch so mächtig wie zu seiner Zeit als Fürst, wenn nicht sogar mächtiger. Für einen Moment fühlte Stygia sich klein, und es schoß ihr durch den Kopf, wie vermessen sie war, jemals geglaubt zu haben, daß sie seinen Platz ausfüllen könnte. Doch sie schüttelte den Gedanken ab. Schließlich war ihr etwas gelungen, das Asmodis nie erreicht hatte.
    »Asmodis«, sagte sie süßlich, »bist du gekommen, um mir zu gratulieren?«
    Sie gab dem Geist den gedanklichen Befehl, einen zweiten Kelch zu bringen. Noch vor einem Jahr hätte sie auf der Stelle versucht, den ehemaligen Fürsten zu töten, aber die Zeiten hatten sich geändert. Heute konnte sie sich eine gewisse Großmut erlauben.
    Stygia beobachtete, wie der Geist dem Ex-Fürsten vorsichtig den Kelch reichte und schnell in einer Ecke verschwand. Asmodis trank, ohne den Wein vorher auf Gift überprüft zu haben. Auch er schien zu wissen, daß Stygia keinen Grund mehr hatte,
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