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0657 - Der letzte Henker

0657 - Der letzte Henker

Titel: 0657 - Der letzte Henker
Autoren: Werner Kurt Giesa
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sprach er schon ein leidliches Französisch, inzwischen konnte er sich mit jedem von uns in der jeweiligen Heimatsprache wenigstens einigermaßen verständigen, und wenn er aufgeregt war, brachte er alle Sprachen gewaltig durcheinander und wechselte sie von einem Wort zum anderen…
    Garret McDunn verstand sich bestens mit Messern. Davon besaß er eine ganze Sammlung. Wenn er einen Apfel in die Luft warf und ein Messer hinterher, kam der Apfel geschält und geviertelt wieder herunter… Mit dem Colonel verstand er sich dagegen gar nicht. Schotte und Engländer eben…
    Igor, der Russe, brachte es immer wieder fertig, mit einfachsten Mitteln höchstprozentige Getränke zusammenzubrennen. Von den meisten dieser Stöffchen konnte man allenfalls zwei, drei Schlucke verkraften, danach verbrannten Speiseröhre, Magen und alles, was sich sonst noch so im menschlichen Körper befand. Igor selbst soff sein Teufelszeug wie Wasser und wurde davon nicht mal betrunken. Nebenher war er ein ausgezeichneter Jäger, der immer wieder mit untrüglicher Sicherheit Beute fand und die auch schmackhaft zuzubereiten wußte.
    Fritz Schoenthaler, den Deutschen, und Frans Krohn, den Holländer, hatte ich als Söldner angeworben. Die Jungs waren von einfachem Gemüt, aber schneller und sicherer Hand. Wenn sie schossen, trafen sie selbst auf größere Distanz neun von zehn Malen ihr Ziel, und Krohn war zudem ein Zauberer mit dem Schwarzpulver und sprengte den Rothäuten den Braten vom Spieß, ohne Fleisch und Holz zu beschädigen.
    Vor gut fünf Monaten waren wir aufgebrochen und hatten das Küstenland am Mississippi verlassen. Seither waren wir ostwärts unterwegs, kamen mal schneller und mal langsamer vorwärts, je nachdem, wie das Land beschaffen war oder welche Meinung seine Bewohner sich über uns bildeten. Im Normalfall verlief alles einigermaßen friedlich; man palaverte miteinander, betrieb ein wenig Handel und ließ sich bestaunen. Daß wir mit Reit- und Packpferden unterwegs waren, erwies sich immer wieder als Sensation; so etwas kannten die Einheimischen überhaupt nicht.
    Mal nahe der Küste, mal weiter im Hinterland, zogen wir nach Osten. Später erst erfuhr ich, daß wir teilweise den Weg nahmen, den in umgekehrter Richtung der spanische Conqistador Hernandez deSoto 138 Jahre vorher eingeschlagen hatte, um mit seiner Armee von Plünderern und Raubmördern eine Spur der Verwüstung und des Todes durch das Land zu ziehen, ehe er 1542 am Mississippi starb. Meist gab es da, wo unsere Routen sich berührten, Ärger; über Generationen hatten die Rothäute nicht vergessen, was Weiße ihnen angetan hatten.
    Ich wollte niemandem etwas antun. Ich wollte Erfahrungen sammeln, und - ich wollte Besitz!
    Aber diesen Besitz wollte ich so weit ab wie möglich von der Zivilisation. Ich wußte, wie schnell es mit der Eroberung der Neuen Welt, von vielen immer noch Westindien genannt, vorwärts ging in den letzten Jahren. America, benannt nach Amerigo Vespucci. Ein gewaltiges, weites Land, bewohnt von nackten Wilden, denen man den Glauben an Gott bringen und dafür ihren Besitz nehmen mußte. Ein Land, in dem das Gesetz nur in den Siedlungen an den Küsten galt, in der Nähe der Hafenstädte. Im Inland galt das Recht des Stärkeren. Und da Feuerwaffen stark waren, nahm man den Ureinwohnern das Land. Ich ahnte, daß schon bald immer größere Ströme von Einwanderern dieses America überfluten würden. Menschen, die eine neue Chance suchten, dabei aber nicht bereit waren, jenen »heidnischen Wilden« Chancen zu lassen.
    Gut, es gab sehr viele, die versuchten, sich den Ureinwohnern friedlich zu nahem. Die handelten und baten, und denen gegeben wurde; die Indianer waren ein Volk mit seltsamen Eigentumsbegriffen. Ich hatte inzwischen festgestellt, daß sie keinen Besitzanspruch auf das Land erhoben, das sie bewohnten - es gehörte allen zugleich und niemandem. Und privates Eigentum - man machte gern Geschenke, und die Gegengeschenke mußten natürlich noch größer sein. So kam es vor, daß eine Familie allein durch den Zwang, immer größere Geschenke zu machen, völlig verarmte. Was dann dazu führte, daß der Rest des Stammes sich zusammentat und dafür sorgte, daß die armen Teufel wieder an Besitz kamen; man gab ihnen einfach das, was sie brauchten, in diesem Fall aber, ohne Gegengeschenke zu erwarten… Ich habe nie verstanden, wie das alles funktionierte. Aber - es funktionierte eben. So lange, bis wir Weißen kamen. Vor allem die Spanier wüteten
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