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0657 - Der letzte Henker

0657 - Der letzte Henker

Titel: 0657 - Der letzte Henker
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Leben als Robert deDigue einen französischen Paß besaß. Ich hätte jeder beliebigen hellhäutigen Nationalität angehören können. Die Indianer machten da keinen Unterschied.
    Vorteile besaß ich nur gegenüber den Weißen. Ich hatte den Status eines Bevollmächtigten Seiner Majestät Louis XIV. In einem wasser- und feuerfesten Behältnis trug ich die beglaubigte Abschrift eines Briefes mit mir, dessen Original an einem absolut sicheren Ort aufbewahrt wurde. Aus dem Brief mit königlichem Siegel ging hervor, daß mir jedweder Staatsdiener Frankreichs, wo auch immer in der Welt, Unterstützung zu gewähren hatte. Sei es ein Beamter, sei es ein General. Ich hatte dem Sonnenkönig ein paar kleine Gefälligkeiten erwiesen, und - ich versorgte ihn zuweilen mit nicht ganz unwichtigen Informationen.
    Dazu gehörte, daß ich den beschwerlichen, zeitraubenden Landweg nach Florida wählte. Abgesehen davon, daß ich selbst Erfahrungen sammeln wollte, konnte ich diese später auch dem huldvollen Parasiten auf dem Königsthron teilhaftig werden lassen. Möglicherweise erhielt ich dafür weitere Vergünstigungen.
    Zum Beispiel über die »Reunionskammern«. Noch in diesem Jahr 1680 wollte König Ludwig XIV. besondere Gerichte einsetzen, die Rechtsansprüche auf fremde Gebiete feststellen sollen. Eben diese Reunionskammern. Den Floh hatte ich ihm vorsorglich schon vor ein paar Jahren ins Ohr gesetzt, und nach dem, was meine Informanten mir aus Frankreich zutrugen, wollte er jetzt endlich Nägel mit Köpfen machen. Gut Ding will Weile haben… und zuvor hatte er ja auch noch ein paar andere kleine Problemchen zu bewältigen gehabt. Er verstand sich aufs Kriegführen wie auf die Diplomatie, und man fragte ihn immer wieder um Rat, wenn es zwischenstaatliche Schwierigkeiten zu bereinigen gab.
    Zumindest in diesen Dingen hatte ich mich aber mit Einflüsterungen stets zurückgehalten; ich versorgte ihn lieber mit Fakten.
    Und wenn ihm dereinst ein anderer König folgte, war der bestimmt auch an meinem Wissen interessiert. Ich hatte mir mit den Jahren eine Position bei Hofe geschaffen, die nicht mehr aus der Welt zu schaffen war. Aber alles unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Wer nichts von mir wußte, kam auch nicht auf die Idee, mich zu beseitigen, falls es einen Machtwechsel gab. Auch ein Grund, weshalb ich mich hütete, mich auf die eine oder andere Weise in die große Politik einzumischen.
    Der einzige, der mir hätte gefährlich werden können, war jener Spanier Don Cristofero Fuego del Zamora y Montego, der seinen Einfluß am Königshof seinem großen Schandmaul und verwandtschaftlichen Beziehungen verdankte. Aber ich hatte dafür gesorgt, daß er rechtzeitig in Ungnade fiel. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als eine sehr lange Reise in die Neue Welt anzutreten; das Wort »Verbannung« mied er selbst wie mein Erzeuger Asmodis das Weihwasser.
    Und nun war ich selbst freiwillig in der Neuen Welt…
    Ich hoffte, daß sich unsere Wege so bald nicht wieder kreuzten.
    Und ich wartete darauf, mit welchen Informationen Paco zurückkehrte.
    ***
    Etwa drei Stunden später war er wieder da. Er gestikulierte mit Händen und Füßen und redete in drei, vier Sprachen durcheinander. Aus seinen Äußerungen entnahm ich, daß etwa zweihundert Menschen in der befestigten Anlage lebten. Nicht nur Eisenmänner, wie er die spanischen Krieger ihrer Helme und Harnische wegen nannte, sondern auch Männer in Zivil - und Frauen.
    Also war es sicher kein rein militärischer Stützpunkt.
    Wie, verdammt, kamen die Spanier ausgerechnet hierher? Was wollten sie hier?
    Ihre Anwesenheit gefiel mir überhaupt nicht. Falls sie beabsichtigten, sich hier auszubreiten, konnte ich mein Vorhaben vergessen, mich irgendwo in dieser Gegend heimlich einzurichten. Sie würden wie die Heuschrecken über das Land herfallen.
    Und ich hatte gerade mal eine Handvoll Männer, um meinen Besitzanspruch durchzukämpfen - in einem vielleicht ohne mein Wissen bereits spanischen Territorium, mit dem zwar auch die Franzosen liebäugelten, sonst hätten sie keine Truppen geschickt, um die Calusa zu »befrieden«, wie man Vernichtungsschläge in militärisch-diplomatischen Kreisen zu umschreiben pflegt. Aber das war eben an der Westküste und weiter nördlich, jenseits der Sümpfe. Unterstützung hatte ich trotz meines königlichen Briefes da wohl kaum zu erwarten. Und meine Mannschaft konnte ich auch nicht ein ganzes Leben lang bezahlen.
    Ich würde entweder die französische
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