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0655 - Der Tod in Moskau

0655 - Der Tod in Moskau

Titel: 0655 - Der Tod in Moskau
Autoren: Werner Kurt Giesa
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bezahlen.«
    »Das regele ich schon«, versprach er.
    »Ich will Ihnen nichts schulden müssen«, protestierte sie.
    »Es ist nicht mein persönliches Geld. Sie schulden mir nichts, aber Sie brauchen Hilfe. Ich kann nicht zulassen, daß Sie allein durch die Nacht irren und vielleicht überfallen und vergewaltigt werden. Kommen Sie.«
    Sie verließen seine Wohnung und das Haus.
    Jäh spurtete sie los, rannte davon…
    Und kopfschüttelnd schnaufte Boris Saranow hinter ihr her…
    ***
    Zwei Straßenkreuzungen weiter holte er sie ein. Aber nicht, weil er schneller gewesen wäre als sie, sondern weil sie einfach stehengeblieben war.
    Sie starrte einen Mann an, der vor ihr auf dem Gehsteig lag und sich nicht rührte. Sein Kopf war seltsam abgewinkelt.
    Saranow bemerkte Passanten, die sich näherten. Neugierige, die wissen wollten, was vorgefallen war. Immerhin, ein am Boden liegender Mann und ein Mädchen in luftiger Lederkleidung - das war schon etwas außerhalb der Norm.
    Saranow berührte die Schulter des Mädchens.
    »Haben Sie das getan?« fragte er leise. »Hat er Sie angegriffen, und Sie haben sich gewehrt?«
    »Nein«, sagte sie. »Ich habe ihn gesehen… den Tod im roten Mantel… Er hat ihm das Genick gebrochen! Einfach so, im Vorbeigehen! Und dann…«
    »Der Tod im roten Mantel? Klingt ein wenig nach Poe«, murmelte Saranow. »Was meinen Sie mit ›Tod‹? Wie hat der Mörder ausgesehen?«
    »Er war ein Skelett«, sagte die Namenlose. Sie gab sich einen Huck. »Sie glauben mir ja doch nicht.«
    »Jetzt«, sagte Saranow, »glaube ich Ihnen sogar alles. Einhorn, Merlin, Tod… Kommen Sie, wir verschwinden hier erst einmal, ehe der Polizeiapparat sich mit Ihnen befaßt. Da haben wir nämlich noch ganz andere Eisen im Feuer.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Sie werden sehen. Wir reden später in Ruhe darüber.«
    ***
    Das Hotel war billig und wenig komfortabel eingerichtet, das Zimmer klein und die Toilette am Ende des Korridors. Aber Saranow war sich darüber im klaren, daß er der Blonden keine Luxussuite im Metropol finanzieren konnte; auch das Budget der parapsychologischen Fakultät der Universität war begrenzt. Dieser ließ er die Kosten für das Zimmer in Rechnung stellen und unterschrieb dafür.
    Man wunderte sich zwar, daß die Blonde ohne Gepäck reiste, stellte aber keine Fragen.
    Die stellte Saranow später, als die Blonde das Zimmer bezog. Sie hatte sehr genau beobachtet, was an der Rezeption geschah, aber die kyrillische Schrift war ihr offenbar fremd. »Sie sind Universitätsprofessor?« vergewisserte sie sich, während sie sich auf die Bettkante setzte.
    »Parapsychologe«, sagte er. »Ich lehre derzeit hier, arbeite aber oft an Forschungsprojekten überall im Land.«
    »Parapsychologe«, echote sie, und es klang, als käme ihr der Begriff sehr bekannt vor.
    »Das heißt, Sie befassen sich mit Übersinnlichem? Mit Magie?«
    »Auch damit«, sagte er. Er sah aus dem Fenster. Draußen war es dunkel; er konnte die Lichter der Stadt sehen, aber das Glas spiegelte auch das Innere des erleuchteten Zimmers und ließ ihn beobachten, was hinter ihm vorging.
    »Der Tod«, sagte sie leise. »Der Mann, der wie ein Skelett aussah. Er kam aus dem Nichts, trat dem Opfer in den Weg und brach ihm das Genick. Dann ging er weiter und verschwand einfach wieder.«
    Saranow schwieg.
    »Sie glauben es mir doch nicht«, befürchtete die Blonde. »Er - der Tod - hat mich auch gesehen. Er sah mich an. Ich konnte ihn deutlich erkennen, den Totenschädel mit den…«
    »… glühenden Augen«, warf Saranow ein.
    »Nein!« protestierte sie. »Sie glühten nicht. Sie waren einfach nur leer. Schwarz und leer. Er sah mich an, und ich glaube, er zuckte zusammen. Dann ging er weiter und verschwand. Und sein Opfer lag vor mir.«
    »Warum erzählen Sie mir das?« fragte der Parapsychologe.
    »Warum haben Sie mich vor der Polizei bewahrt?«
    »Weil Polizisten manchmal Fragen stellen, die niemand beantworten kann. Speziell in Fällen wie diesen. Wenn Sie mehr über sich selbst wüßten, wenn Sie einen Ausweis hätten, wäre ja alles in Ordnung. Aber man würde Sie erst einmal festhalten. Einsperren vielleicht, um Ihre Identität zu prüfen. Ihre Beobachtung selbst wäre sogar nebensächlich. Sie sind hier in der Hauptstadt der russischen Republik. Man könnte Sie für eine ausländische Spionin halten. Paranoia ist eine russische Erfindung, daran haben auch Glasnost und Perestroika nichts geändert. Und gerade weil dieser idiotische
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