Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0655 - Der Tod in Moskau

0655 - Der Tod in Moskau

Titel: 0655 - Der Tod in Moskau
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
was er nicht wollte - die Überwachung durch den Föderalen Abwehrdienst, wie er heute genannt wurde; früher hieß diese Institution KGB. Saranow verabscheute die Überwachung, aber er konnte nichts daran ändern. Durch seine Mitarbeit an zahlreichen Forschungsprojekten auf dem Psi-Sektor gehörte er zu den Geheimnisträgern des Staates. Ob er das nun wollte oder nicht.
    Was dabei von Vorteil war, vor allem in Städten wie Moskau: Saranow wurde nicht nur überwacht, sondern auch beschützt. Er lief keine Gefahr, auf der Straße überfallen und ausgeraubt zu werden. Und Einbrüche in seine jeweilige Wohnung gab es auch nicht…
    Dennoch war ihm das alles nicht ganz geheuer. Denn logischerweise bekamen es auch Leute, mit denen er arbeitete, mit dem Geheimdienst zu tun. Und manche machten das ihm persönlich zum Vorwurf.
    Aber dieser ganze geheimdienstliche Kram sorgte natürlich auch dafür, daß Saranow sein Gehalt pünktlich erhielt, und daß er auch für seine Forschungsarbeit materiell und finanziell unterstützt wurde. Für den FSK hatte Mütterchen Rußland immer genug Geld übrig.
    Saranow dachte daran, einen kleinen Abendspaziergang zu machen. Einmal rund um den Häuserblock. Er trat aus dem Haus, sah nach rechts und links, konnte niemanden entdecken, den er kannte. Natürlich waren seine Aufpasser nicht rund um die Uhr in der Nähe. Mit denen hatte er sich längst arrangiert.
    Und für den Fall der Fälle trug er ein Handy bei sich, mit dem er sofort Alarm geben konnte. Ganz unauffällig sogar. Es stets mit sich zu führen, war eine der Auflagen, denen er nachzukommen hatte.
    Sicher hätte er auf all das verzichten können - damals, ganz zu Anfang, vor vielen Jahren am Beginn seiner Karriere als Parawissenschaftler. Aber damals hatte ihn fasziniert, welche Möglichkeiten ihm offenstanden, wenn er einwilligte, auch an geheimen Forschungsprojekten der Sowjetregierung mitzuarbeiten. Ohne dies hätte er vielleicht nicht einmal seine Professur erhalten.
    So nahm er’s zähneknirschend in Kauf.
    Um festzustellen, daß er bei weitem nicht alles verwirklichen konnte, was er tun wollte. Und daran hatte sich auch nach der Perestroika nicht sehr viel geändert. Ein Weltreich war zerbrochen, die Regierung wechselte, die Namen der Herrschenden und auch die Bezeichnung des Geheimdienstes. Aber die Bedingungen waren annähernd gleich geblieben.
    Er hätte auswandern müssen, um in einem anderen Land weiterzuarbeiten, außerhalb der ehemaligen UdSSR beziehungsweise der jetzigen GUS.
    Aber als Geheimnisträger würde man ihn niemals gehen lassen.
    Er wandte sich nach rechts.
    Nach wenigen Schritten fiel ihm das blonde Mädchen auf.
    Es wirkte etwas verwirrt. Kauerte am Boden, richtete sich jetzt langsam auf. Auch andere Passanten wurden aufmerksam, verhielten im Schritt, sahen herüber. Aber Saranow war als erster bei dem Mädchen.
    Er schätzte es auf etwa 16 Jahre; viel älter ganz bestimmt nicht. Es trug ein Lederwams, einen kurzen ledernen Rock mit breitem Gürtel und daran in einer Metallscheide einen unterarmlangen Dolch, dazu fellgefütterte Stiefel und einen ledernen Armreif. Sekundenlang hatte Saranow den Eindruck, die Blonde wäre direkt einem dieser westlichen Fantasyfilme entsprungen.
    In eine moderne Großstadt wie Moskau paßte sie in dieser seltsamen Kleidung ganz sicher nicht; und sie sah auch nicht danach aus, als wäre sie zu einer wilden Disco-Party unterwegs. Zudem pflegte man in Discotheken nicht unbedingt lange Dolche zu tragen…
    Saranow wußte nicht, weshalb er sich hier einklinkte. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, daß diese Begegnung vielleicht kein Zufall war.
    »Ich bin Boris Saranow«, stellte er sich vor. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«
    Die Blonde war immer noch verwirrt.
    »Wo bin ich? Wo ist…«
    »Wo ist wer?«
    »Das Einhorn…«
    Der Parapsychologe räusperte sich. »Verzeihung, aber hier ist kein Einhorn. Solche Tiere leben in Wunderwäldern, aber nicht in einer Stadt wie Moskau.« Er lächelte.
    »Aber es war eben noch hier. Es hat mich abgeworfen…« Sie senkte den Kopf, hob ihn wieder, sah in die Runde. Ihre Hand näherte sich dem Dolchgriff, während sie die Stirn runzelte.
    »Wie heißen Sie?« fragte Saranow ruhig. »Und woher kommen Sie?«
    Die Blonde starrte ihn mit zunehmender Verzweiflung an.
    »Ich - ich weiß es nicht…«
    ***
    Der Parapsychologe fackelte nicht lange. Entschlossen nahm er das Mädchen bei der Hand und führte es zum Haus und bis in seine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher